Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
Entscheidungen treffen konnte. »In einem Fachbereich, der gerade erst aufgebaut wird, hast du selbst als Anfänger immer ein Mitspracherecht«, meinte sie damals zu mir.
Im Gegensatz dazu dürfte die Position eines frischgebackenen Akademikers in der Hierarchie eines etablierten Universitätsbetriebs ganz klar sein: unten, um nicht zu sagen ganz unten. In diesen Universitäten gilt die Devise, dass man Jahre als Professor gearbeitet haben muss, bevor man mitbestimmen darf, wie der Bildungsauftrag umgesetzt wird. Bis es so weit ist, darf man nur tun, was einem von oben diktiert wird.
Außerdem fiel mir auf, dass Georgetown eine andere Anstellungspolitik vertrat als woanders üblich. In den großen Forschungs- und Bildungsinstituten läuft das normalerweise nämlich so ab: Hochgestellte Verwaltungsangestellte versenden Briefe an anerkannte Kapazitäten eines bestimmten Fachbereichs und fragen sie, ob sie bestimmte Dozenten für Spitzenkräfte halten. Bei negativen Antworten werden diejenigen sofort gekündigt und die Stellen neu besetzt. An anderen Universitäten in den USA ist es Usus, überhaupt keine Angestelltenjobs zu offerieren, sondern ausschließlich freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Und da es immer mehr Akademiker als offene Stellen gibt, kommen sie damit auch durch.
Ist Ihr Fachgebiet noch relativ jung – wie das auf das meinige zutrifft –, finden sich kaum Experten auf diesem Gebiet, was es noch schwerer macht, die Position zu halten, weil da draußen niemand in der Lage ist, die Leistungen eines Professors zu beurteilen. Allein aus diesem Grund belohnt das System Konformität in jungen Fakultäten. Der sicherste Weg zu einer Festanstellung ist folglich, sich ein Forschungsgebiet auszusuchen, das schon seit Längerem etabliert ist, für das großes Interesse besteht, und dann schneller zu sein als die Kollegen. Innovationen sind erst nach Jahren einer erfolgreichen Karriere an der Universität möglich. In seiner berühmten Abschiedsvorlesung »Last Lecture« hat der verstorbene Informatikprofessor Randy Pausch von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh diese Realität treffend mit | 205 | diesen Worten beschrieben: »Frischgebackene Professoren haben mich des Öfteren gefragt, wie ich schon in so jungen Jahren eine Festanstellung bekommen habe. Meine Antwort lautete dann immer: ›Das war ganz einfach. Rufen Sie mich an jedem beliebigen Freitag nach zehn Uhr abends in meinem Büro an, dann verrate ich Ihnen mein Geheimnis.‹«
Es gab keinen Zweifel daran, dass Georgetown eine völlig andere Einstellungspolitik verfolgte, bei der potenzielle Kandidaten eben nicht gnadenlos gegeneinander ausgespielt wurden. Schon aufgrund der Tatsache, dass der Fachbereich Informatik noch in seinen Kinderschuhen steckte, lautete der Schwerpunkt, eigene Spitzenforscher »heranzuziehen«, anstatt sie von woanders abzuwerben. Anders ausgedrückt, wenn ich gute Forschungsergebnisse vorweisen und in namhaften Fachzeitschriften veröffentlichen würde, wäre mir meine Festanstellung sicher. Ich hatte somit wesentlich mehr Freiraum, selbst zu entscheiden, wie ich meine Forschungsarbeit gestaltete, und es blieb mir erspart, meine Ellenbogen auszufahren und mich an die Spitze eines Lehrkörpers mit festen Strukturen hochzuarbeiten. Doch bevor ich mich endgültig dafür entschied, nahm ich mir die Zeit, noch einmal intensiv über Regel 3 – Selbstbestimmung – nachzudenken. Auf meiner Suche habe ich zwei Fallen entdeckt, in die bevorzugt Leute geraten, die mehr Kontrolle über ihr Arbeitsleben haben wollen. Die erste Falle tut sich auf, wenn zu wenig Karrierekapital vorhanden ist. Wer für sich mehr Selbstbestimmung im Job beansprucht, im Gegenzug aber keine seltenen und kostbaren Fähigkeiten anzubieten hat, rennt einer Illusion hinterher.
In diese Falle sind viele Aussteiger getappt, die ihren normalen Job aufgaben, weil sie dachten, sie könnten ihren Lebensunterhalt auch über eine Webseite und einen Blog bestreiten. Viele dieser Nonkonformisten stellten schnell fest, dass ihr Plan nicht aufging, da sie den Leuten nichts von Wert für deren Geld bieten konnten. Für meine eigene Jobsuche schien diese Falle nicht relevant zu sein, da die Jobsuche für Akademiker viel Karrierekapital – in Form von Publikationen in den einschlägigen Fachzeitschriften und aussagekräftigen Empfehlungsschreiben – vor | 206 | aussetzt, da anderen falls kein Ruf der Universitäten für eine Professorenstelle erfolgt. Doch es gibt
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