Die Traumvektor Tetralogie - I.Ursprung (German Edition)
Hände wurden zu Eisklumpen und ich begann, am ganzen Körper zu zittern. Die Angst des Todes fiel über mich her, lähmte mich, um es dem Tod zu erleichtern, nach mir zu greifen.
»Nein, so leicht bekommst du mich nicht«, presste ich trotzig hervor.
Ich kümmerte mich nicht mehr um die Leute, rannte zu meiner Frau und riss sie aus ihren Träumen, wollte mit ihr so schnell es ging in den hintersten Winkel des Flugzeuges gelangen. Weg von der Tragfläche, den Treibstofftanks, weg vom Reisegerümpel in der Kabine.
Nimm’ so viele Decken und Kissen mit, wie du tragen kannst.
Sie blickte mich noch etwas verschlafen an, reagierte jedoch sofort und ohne zu fragen. Anscheinend konnte sie die Panik spüren, die mich ergriffen hatte und ahnte, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging.
Ich versuchte mich zu erinnern, wo sich die Laderäume befanden.
»Meistens waren sie unter der Kabine gelegen und auch im hinteren Bereich gab es bei manchen Flugzeugtypen welche«, antwortete meine Lexikon-Subpersönlichkeit vollautomatisch.
Beim Transfer vom Terminal zum Flugzeug glaubte ich, hinten eine Ladeluke gesehen zu haben. Ich wusste auch, dass im Frachtraum, direkt an die Fluggastkabine angeschlossen, ein eigens für die Flugbegleiter und Piloten umgebauter Container existieren musste, der dem Personal in den vorgeschriebenen Pausen als Ruheraum diente. Dorthin mussten wir.
Wir stürzten in den hinteren Bereich. Die Tür zum »Wohncontainer« war glücklicherweise nicht versperrt. Zuerst entfernten wir in größter Eile alle Gegenstände, wie etwa Taschen, Gläser, Messer, Teller und sonstiges Zeugs, das sich bei einem Aufprall in tödliche Geschosse verwandeln konnte. Wir klappten zwei Betten, die im Prinzip nicht mehr waren als zwei sechzig Zentimeter breite metallene Gestelle auf der fünf Zentimeter dicke Schaumstoffmatratzen lagen, aus den seitlichen Stauräumen und krochen unter die dünnen Bettdecken. Danach wickelten wir uns zusätzlich in die mitgebrachten Decken und Kissen, die wir aufgebrachten Mitreisenden kurz zuvor entrissen hatten, zurrten die Gurte fest, die normalerweise verhinderten, dass die Crew bei unvorhergesehenen Luftturbulenzen gegen die Decke knallte und warteten in unseren behaglichen »Nestern« auf den Aufprall.
Seit dem ersten Auftreten des »Schwebegefühls« waren ungefähr zweieinhalb Minuten vergangen.
Ich bewunderte die Ruhe, welche die Frau neben mir in Anbetracht des nahenden, wahrscheinlichen Todes ausstrahlte. Hatte sie denn gar keine Angst? Ich blickte sie an und wollte gerade einen aus drei Worten bestehenden Satz aussprechen, wie etwa »Ich hasse Flugzeuge« oder etwas Ähnliches, als der Aufprall uns mit der Wucht eines gewaltigen Hammerschlages traf.
Tonnenschwere Last lag auf unseren Körpern und drückte uns mit brutaler Gewalt auf die Bettflächen, nur um uns kurz darauf mit noch größerer Wucht in Richtung Nischendecke zu werfen, die Gurte waren schon bei der ersten größeren Belastung gerissen.
So verbrachten wir beide einen kurzen Augenblick unseres Lebens als Pingpongbälle, die zwischen den Containerwänden hin und her getreten wurden.
Das Ende des Absturzes erlebte ich nicht mehr. Mein Schädel war mit voller Wucht gegen die innere Abgrenzung der Bettnische gedonnert und bat um eine Auszeit.
Ich war bewusstlos.
1
Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und die Sicherheit, es diesmal nicht mit den Nachwirkungen einer durchzechten Nacht zu tun zu haben, waren die ersten Eindrücke, die nach meinem Erwachen auf mich einströmten.
Ich erinnerte mich ganz dumpf an ein abstürzendes Flugzeug und das wichtige daran, ich war an Bord gewesen und ich lebte noch.
»Na endlich. Ich dachte, du wachst überhaupt nicht mehr auf«, nörgelte eine sehr vertraute Stimme. Ich war erleichtert.
»Du legst dich einfach für ein paar Stunden aufs Ohr und ich darf mich mit dir abschleppen, ein schöner Kavalier bist du.«
Ich öffnete die Augen, richtete meinen Oberkörper auf und lehnte mich an einen Baum.
Sie gab mir einen Kuss.
»Mann, brummt mir der Schädel. Hab’ mir wohl eine kleine Gehirnerschütterung zugezogen. Hast du ’ne Kopfschmerztablette?«
Zu meinem großen Erstaunen reichte sie mir wirklich eine.
Ich hatte es ja immer schon gewusst, jetzt hatte ich die Bestätigung: Die Tiefen einer Damenhandtasche waren und sind unergründlich. Vor allem wunderte ich mich darüber, wie sie es geschafft hatte, die Tasche während der chaotischen Minuten des Absturzes
Weitere Kostenlose Bücher