Die Treibjagd
verlieh. Dies war das offizielle Laster, welches selbst die Ausschweifung mit einer gewissen Hoheit umgab und ihr eine Art Ueberlegenheit über diese Schaar auserlesener Buhlerinen verlieh.
Die Blutschänderin gewöhnte sich denn an ihre Schuld wie an ein Galakleid, dessen Steifheit ihr anfänglich lästig gewesen. Sie folgte der Mode ihrer Zeit, kleidete und entkleidete sich nach dem Beispiele der Anderen. Schließlich gelangte sie zu der Ansicht, daß sie inmitten einer Welt lebe, die über die gewöhnliche Moral erhaben sei, in welcher sich die Sinne verfeinerten und entwickelten und es gestattet war, sich zur Freude des ganzen Olymp's auch nackt sehen zu lassen. Das Schlechte wurde ein Luxus, eine Blume, die man ins Haar steckte, ein Diamant in der Mitte der Stirne. Und gleich einer Rechtfertigung und Erlösung sah sie im Geiste wieder den Kaiser vor sich, wie er am Arme des Generals durch die Doppelreihe der demüthig geneigten Schultern schritt.
Nur ein einziger Mann: Baptiste, der Kammerdiener ihres Gatten, beunruhigte sie noch immer. Seitdem Saccard wieder galant geworden, schien sich dieser bleiche, würdige Lakai mit der Feierlichkeit eines stummen Vorwurfes um sie zu bewegen. Er schaute sie gar nicht an, sein kalter Blick glitt über sie, über ihren Chignon mit der Züchtigkeit eines Kirchendieners hinweg, der seine Augen nicht durch den Anblick der Haare einer Sünderin besudeln will. Sie bildete sich ein, daß er Alles wisse und hätte sie es gewagt, so würde sie sein Schweigen zu erkaufen versucht haben. Ein Unbehagen erfaßte sie und eine Art unfreiwilliger Hochachtung überkam sie, wenn sie Baptiste begegnete, denn sie sagte sich, daß die ganze Rechtschaffenheit ihrer Umgebung unter dem schwarzen Gewande dieses Lakaien Zuflucht genommen habe.
Eines Tages richtete sie die Frage an Céleste:
»Pflegt Baptiste im Gesindezimmer Scherze zu machen? Hat er keinerlei Abenteuer ober Maitressen?«
»Mir ist nichts bekannt,« begnügte sich die Dienerin zur Antwort zu geben.
»Er wird Ihnen aber doch den Hof gemacht haben?«
»Ah, er würdigt die Frauen keines Blickes und wir bekommen ihn kaum zu Gesicht ... Er ist immer beim Herrn oder in den Ställen. Er sagt, daß er ein großer Freund der Pferde sei.«
Gereizt durch diese Rechtschaffenheit forschte Renée weiter; sie wollte etwas in Erfahrung bringen, um ihre Leute verachten zu können und obgleich sie für Céleste eine gewisse Zuneigung empfand, wäre sie doch erfreut gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß das Mädchen Liebhaber besaß. »Aber Sie, Céleste, finden Sie nicht, daß Baptiste ein hübscher Junge sei?«
»Ich, Madame?« rief die Dienerin mit der überraschten Miene einer Person aus, die etwas Unglaubliches vernommen. »Oh! ich habe ganz andere Gedanken und von einem Manne will ich nichts wissen. Ich habe meinen Plan, wie Sie sehen werden, wenn der richtige Augenblick gekommen sein wird. Ich bin nicht dumm ...«
Weiter vermochte Renée nichts aus ihr herauszubekommen. Im Uebrigen wurden ihre Sorgen mit jedem Tage größer. Ihre geräuschvolle Lebensweise, ihre tollen Launen, denen sie zu genügen suchte, stießen auf zahlreiche Hindernisse, welche sie zu überwinden gezwungen war und an denen zuweilen ihr Wille scheiterte. So richtete sich eines Tages Luise de Mareuil zwischen ihr und Maxime empor. Sie war nicht eifersüchtig auf »die Buckelige«, wie sie sie verächtlich nannte; sie wußte, daß dieselbe von den Aerzten aufgegeben sei und konnte nicht glauben, daß sich Maxime jemals dazu verstehen würde, solch ein häßliches Wesen, selbst um den Preis einer Million zu heirathen. Trotzdem sie so tief gesunken war, hatte sie sich eine gewisse spießbürgerliche Naivität bewahrt, wo es sich um Personen handelte, die sie liebte und wenn sie sich selbst auch verachtete, so hielt sie jene dennoch gerne für überlegene und durchaus ehrenwerthe Menschen. Indem sie aber den Gedanken an eine Heirath, die ihr eine häßliche Ausschweifung und ein Diebstahl zugleich dünkte, energisch von sich wies, litt sie durch den vertraulichen, kameradschaftlichen Verkehr der jungen Leute. Wenn sie mit Maxime über Luise sprach, so lachte er behaglich, erzählte ihre neuesten Scherze und sagte:
»Weißt Du, die Schelmin nennt mich ihren kleinen Mann.«
Und dabei bekundete er eine solche Unbefangenheit, daß sie ihn nicht darauf aufmerksam zu machen wagte, daß diese »kleine Schelmin« siebzehn Jahre alt sei und daß ihre Spielereien mit den
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