Die Treibjagd
»ich habe die poetische Freiheit vielleicht ein wenig zu weit getrieben, glaube aber, daß mir mein Wagestück gelungen ist. ... Nachdem die Nymphe Echo gesehen, daß Venus nichts über den schönen Narziß vermag, führt sie ihn zu Pluto, dem Gotte der Reichthümer und Edelmetalle ... Nach der Versuchung des Fleisches die Versuchung des Goldes«
»Das ist klassisch,« bemerkte der trockene Herr Toutin-Laroche mit einem liebenswürdigen Lächeln. »Sie kennen Ihre Zeit, Herr Präfekt.«
Die Vorhänge glitten auseinander, stärker als bisher tönte das Piano. Die Gesellschaft war ordentlich geblendet. Die elektrischen Strahlen fielen auf flammenden Glanz, bei welchem die Zuschauer anfänglich nichts weiter sahen, als eine einzige große Gluth, in welcher Barren Goldes und kostbare Edelsteine zu schmelzen schienen. Auch hier war eine Grotte zu sehen; doch nicht mehr der kühle Aufenthaltsort der Venus, welchen die ersterbende Meereswelle auf dem mit Perlen bestreuten feinen Sande bespült. Diese Höhle mußte sich im Mittelpunkte der Erde, in einer tiefen, heißen Schichte befinden, einem Spalt der alten Hölle, einer von Pluto bewohnten Ader, wo die Erze flüssig geworden. Die Seide, welche die Felswände darstellte, wies breite Metallstreifen, Adern des edlen Gesteines auf, welche die unberechenbaren Reichthümer und das ewige Leben der Erde darstellten. Vermöge eines kühnen Anachronismus des Herrn Hupel de la Noue war der Boden mit einer Unmasse von Zwanzigfrancsstücken bedeckt, man sah die Louisd'ors zu ganzen Bergen angehäuft, dann wieder unbeachtet über den Boden hingestreut, Gold, flimmerndes Gold überall, wohin das Auge fiel.
Auf der Spitze eines Goldhügels befand sich Frau von Guende, die den Pluto darstellte, in sitzender Stellung, ein weiblicher Pluto, der seinen Busen zeigte durch die großen Streifen seines Kleides, welches in allen Metallfarben schimmerte. Rings um den Gott gruppirten sich in den verschiedensten Stellungen, stehend, halb liegend, zu Paaren vereint oder abseits prangend, die herrlichen Blüthen dieser Grotte, in welcher alle Schätze aus tausendundeiner Nacht vereinigt zu sein schienen: Frau Haffner repräsentirte das Gold in einem strahlenden Kostüm, das einem Bischofsmantel glich, Frau von Espanet das Silber, indem sie lieblich wie Mondesschein flimmerte; Frau von Lauwerens in dunklem Blau stellte den Saphir dar, an ihrer Seite die kleine Frau Daste einen lächelnden Türkis, der ein zartes Lichtblau zeigte; weiterhin sah man Frau von Meinhold als Smaragd, Frau von Teissière als Topas und etwas seitwärts die Gräfin Vanska als Koralle. Ihre dunkle Haut eignete sich trefflich hierzu, die erhobenen Arme waren mit rothen Zierrathen behängt und sie glich einem reizenden Polypen, der zwischen dem rosigen Weiß der halb geöffneten Muscheln gleichsam einen üppigen Frauenleib sehen ließ. Das Geschmeide der Damen, Hals- und Armbänder, Diademe und Nadeln, war aus demselben edlen Gestein verfertigt, welches jede von ihnen darstellte. Allgemeine Bewunderung erregten die originellen Schmucksachen der Damen Espanet und Haffner, welche ausschließlich aus neuen kleinen Gold- und Silberstücken bestanden. Im Uebrigen blieb der Vorgang im Vordergrunde derselbe: die Nymphe Echo warb um den schönen Narziß, der aber noch immer energisch abwehrte. Und die Augen der Zuschauer hafteten trunken an diesem Schauspiel, welches einen Blick in das lodernde Innere unserer Erdkugel darbot, an diesen Massen Goldes, welche den Reichthum einer ganzen Welt darstellten.
Das zweite Bild erzielte einen noch größeren Erfolg als das erste. Die demselben zu Grunde liegende Idee erschien überaus geistvoll. Diese Zwanzigfrancsstücke, diese moderne eiserne Kasse, die irgendwie in diese Darstellung der griechischen Mythologie gerathen, entzückte die Phantasie der anwesenden Damen und Geldmänner. Die Worte: »Wie viel Gold! welche Massen Goldes!« gingen lächelnd, mit behaglichem Schauer von Mund zu Mund und sicherlich dachte sich jede Dame, jeder Herr, wie herrlich es wäre, diese Schätze sein eigen zu nennen und daheim im einbruchssicheren Schrank zu bewahren.
»England hat gezahlt; dies sind Ihre Milliarden,« flüsterte Luise Frau Sidonie boshaft ins Ohr.
Frau Michelin, deren Mund ein entzücktes Verlangen offen hielt, hatte ihren Almee-Schleier ein wenig zurückgeschlagen und umfaßte die Goldmassen mit liebevollen, glänzenden Blicken, während die ernste Männerwelt in Behagen schwelgte. Herr
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