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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Bei seinem Erscheinen hielt ihm der Advokat ein Papier mit den Worten entgegen:
    »Gestern wurde Deine Sache erledigt. Du bist zum Wegeaufseher-Gehilfen im Stadthause ernannt worden und wirst ein Jahresgehalt von zweitausendvierhundert Francs beziehen.«
    Aristide blieb unbeweglich stehen. Er war blaß geworden und griff nicht nach dem Papier, da er meinte, sein Bruder wolle sich über ihn lustig machen. Er hatte auf eine Anstellung mit wenigstens sechstausend Francs gerechnet. Eugen errieth, was in ihm vorging und sich ihm zuwendend, sprach er zornigen Tones, wobei er die Arme kreuzte:
    »Bist Du von Sinnen? Du träumst wohl ungereimtes Zeug wie ein junges Mädchen? Du möchtest ein schönes Haus bewohnen, Dienerschaft haben, gut essen und trinken, in Sammt und Seide gekleidet gehen, in den Armen der Erstbesten schwelgen? Wenn wir Dich und Deinesgleichen gewähren ließen, so würdet Ihr die Kassen leeren, noch bevor sie voll geworden. Du, lieber Gott, habe doch ein wenig Geduld! Sieh, wie ich lebe und nimm Dir wenigstens die Mühe, Dich zu bücken, um ein Vermögen aufzulesen.«
    Er sprach voll tiefer Verachtung über die schülerhafte Ungeduld seines Bruders. Seine rauhen Worte verriethen höheren Ehrgeiz, das Verlangen nach unbeschränkter Macht; dieses naive Begehren nach Geld und Reichthum mußte ihm niedrig und kindisch erscheinen. Sanfteren Tones, mit einem feinen Lächeln fuhr er fort:
    »Gewiß; Deine Anlagen sind gute und ich will denselben nicht hinderlich sein. Leute wie Du sind kostbar und wir gedenken unsere guten Freunde unter den Gierigsten zu suchen. Sei nur unbesorgt; wir werden reiche Gastfreundschaft üben, damit die Hungrigsten gesättigt werden. Dies ist die einfachste Art und Weise, um zu herrschen ... Doch warte zumindest, bis der Tisch gedeckt ist und befolge meinen Rath: hole Dir Dein Essen selbst aus der Küche.«
    Aristide behielt seine unzufriedene Miene bei; der liebenswürdige Vergleich seines Bruders vermochte ihn nicht versöhnlicher zu stimmen. Dies veranlaßt Jenen, zu einer neuerlichen zornigen Ermahnung anzuheben.
    »Ich muß wohl bei meiner ersten Meinung bleiben,« rief er aus; »das heißt, Du bist ein Thor ... Alle Wetter! was hofftest Du denn, was dachtest Du, daß ich mit Deiner kostbaren Person anfangen würde? Du hattest ja nicht einmal den Muth, Deine Rechts-Studien zu beenden, sondern vergrubst Dich während zehn Jahre als armseliger Beamte einer Unterpräfektur und langst hier als übelberüchtigter Republikaner an, den der Staatsstreich allein zu bekehren vermochte ... Meinst Du etwa, es stecke bei einem solchen Leumunde das Zeug zu einem Minister in Dir? ... Oh! ich weiß, Du bist entschlossen, Dich mit allen Mitteln emporzuarbeiten! Dies ist allerdings ein großes Verdienst, ich gebe es ja zu und in Berücksichtigung desselben habe ich darnach getrachtet, Dich bei der Stadt unterzubringen.«
    Er stand auf, drückte Aristide das Ernennungsschreiben in die Hand und fuhr fort:
    »Da nimm; eines Tages wirst Du mir noch danken. Ich selbst habe die Stelle gewählt, denn ich weiß, welchen Nutzen Du aus derselben ziehen kannst... Du brauchst bloß zu sehen und zu hören. Wenn Du Verstand hast, wirst Du begreifen und danach handeln ... Und nun merke Dir, was ich Dir sage. Wir kommen in eine Zeit, in der jeder Erfolg möglich sein wird. Erwirb viel Geld, ich gestatte es Dir; doch nur keine Dummheiten, keinen Skandal gemacht, sonst lasse ich Dich verschwinden.«
    Diese Drohung hatte die Wirkung, welche seine Versprechungen nicht herbeizuführen vermocht. Das ganze Fieber der Habgier Aristides entzündete sich bei dem Gedanken an die Reichtümer, von welchen sein Bruder sprach. Es war ihm, als ließe man ihn endlich sich in das Handgemenge stürzen, als hätte er die Erlaubniß erhalten, die Leute zu erwürgen, doch fein säuberlich, ohne zu viel Lärm zu erregen. Eugen gab ihm zweihundert Francs, damit er bis zum Ende des Monates sein Leben fristen könne.
    Sodann blieb er eine Weile nachdenklich,
    »Ich möchte meinen Namen ändern,« sagte er endlich. »Du solltest ein Gleiches thun ... Wir würden uns freier bewegen können.«
    »Wie Du willst,« erwiderte Aristide ruhig.
    »Du wirst Dich um nichts zu bekümmern haben, ich übernehme die Durchführung aller Formalitäten ... Willst Du den Namen Sicardot, den Deiner Frau annehmen?«
    Aristide blickte zur Decke empor, während er den Namen silbenweise aussprach, wie um den Wohlklang desselben zu beurtheilen.
    »Sicardot . .

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