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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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. Aristide Sicardot ... Meiner Treu, nein; das klingt läppisch und riecht ordentlich nach dem Bankerott.«
    »So suche etwas Anderes,« sagte Eugen.
    »Sicard ganz kurz wäre mir lieber,« nahm der Andere nach einer Pause von Neuem auf. »Aristide Sicard ... nicht schlecht ... wie? sogar ein wenig heiter ...«
    Er dachte noch einen Augenblick nach und rief mit einem Male triumphirend aus:
    »Ich hab's, ich hab's!... Saccard, Aristide Saccard! ... mit zwei c ... Hehe! der Name duftet nach Geld und man sollte meinen, man zähle lauter Hundertsousstücke.«
    Eugen machte einen derben Scherz, indem er seinen Bruder verabschiedend, lächelnd zu ihm sagte:
    »Ja man kann mit dem Namen ebenso leicht ins Zuchthaus wie in den Besitz von Millionen gelangen.«
    Einige Tage später befand sich Aristide Saccard in den Bureaux des Stadthauses. Dort erfuhr er, daß sich sein Bruder eines bedeutenden Einflusses erfreuen müsse, um seine Ernennung mit Umgehung der gebräuchlichen Prüfungen durchzusetzen.
    Für das Ehepaar begann nunmehr die gleichförmige Lebensweise der kleinen Beamten. Aristide und seine Frau nahmen ihre Gewohnheiten von Plassans wieder auf. Nur waren sie aus dem Traume plötzlicher Bereicherung gerissen worden und ihre beschränkten Mittel lasteten umso drückender auf ihnen, als sie dies für eine Probezeit ansahen, deren Dauer sie nicht abzuschätzen vermochten. In Paris arm sein, bedeutete zweifache Armuth. Angèle nahm das Elend mit ihrem bleichsüchtigen Gleichmuthe hin; sie verbrachte ihre Zeit in der Küche, oder auf der Erde liegend, um mit ihrer kleinen Tochter zu spielen und begann erst zu lamentiren, wenn sie beim letzten Zwanzigsousstück angelangt war. Aristide aber fügte sich nur mit den Zähnen knirschend diesem Elend, dieser jammervollen Existenz, in welcher er gleich einem eingeschlossenen wilden Thiere umherraste. Dies war für ihn eine Epoche unbeschreiblicher Leiden; sein Stolz blutete, seine unbefriedigten Wünsche peitschten ihn wie mit Geißelhieben. Seinem Bruder gelang es, sich als Abgeordneter des Arrondissements Plassans in die gesetzgebende Körperschaft entsenden zu lassen und dies vermehrte nur noch sein Leid. Er war sich der Ueberlegenheit Eugens zu sehr bewußt, um auf dieselbe eifersüchtig zu sein; aber er beschuldigte ihn, er habe für ihn nicht Alles gethan, was er zu thun im Stande gewesen wäre. Wiederholt zwang ihn die Noth, an Eugens Thür zu pochen, um eine kleine Geldanleihe zu machen. Eugen bewilligte dieselbe, warf ihm aber in herben Worten seinen Mangel an Willen und Ausdauer vor. Fortab wurde Aristide noch düsterer und verschlossener. Er gelobte sich, von Niemandem auch nur einen Sou mehr zu entlehnen und hielt getreulich Wort. In den letzten acht Tagen des Monats aß Angèle trockenes Brod unter Seufzern und Klagen. Diese Epoche vollendete die furchtbare Erziehung Saccard's. Seine Lippen wurden noch dünner als bisher; er war nicht mehr so dumm, wachend von seinen Millionen zu träumen; seine hagere Gestalt verhielt sich schweigend und drückte nur mehr einen Willen, eine fixe Idee aus, der er unablässig nachhing. Wenn er aus der Rue Saint-Jacques nach dem Stadthause eilte, so schlugen seine abgetretenen Stiefelabsätze klappernd auf das Pflaster und er hüllte sich in seinen abgeschabten Überrock wie in ein Gewand des Hasses, während seine Marderschnauze die Luft der Straßen witterte. Es war das eckige Antlitz des eifersüchtigen, neidischen Elends, welches man durch die Straßen von Paris streichen sieht, seinen Träumen von Glanz und Reichtümern nachhängend.
    Zu Beginn des Jahres 1855 ward Aristide zum wirklichen Wegeaufseher ernannt. Als solcher bezog er ein Gehalt von viertausendfünfhundert Francs, Die Aufbesserung trat zu sehr gelegener Zeit ein, denn Angèle fiel täglich mehr ab und die kleine Klotilde war ganz bleich. Er behielt seine kleine, aus zwei Zimmern – dem mit Nußholzmöbeln eingerichteten Speisezimmer und dem in Mahagoni gehaltenen Schlafzimmer – bestehende Wohnung bei, blieb bei seiner streng sparsamen Lebensweise und vermied es, Schulden zu machen; das Geld Anderer wollte er nur haben, wenn er tief in demselben wühlen konnte. So belog er selbst seine Instinkte, indem er die wenigen Sous verachtete, die er jetzt mehr bezog, und blieb weiter auf dem Anstande. Angèle fühlte sich vollkommen glücklich. Sie konnte sich einigen Putz anschaffen und ihre Brosche täglich vorstecken. Der dumpfe Zorn ihres Gatten, seine düstere Miene,

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