Die Treibjagd
hervorleuchteten, überwältigten sie die von allen Seiten auf sie eindringenden Gerüche. Ein unerklärlicher, schwerer, aufregender Geruch schien aus tausend Düften zusammengesetzt: aus dem des Schweißes, des Frauenathems und der Haare; ein süßlicher und dennoch widerlicher Hauch, daß man von einer Ohnmacht angewandelt ward, wurde durch einen anderen verdrängt, der unerträglich, wie mit Gift geschwängert auf die Nerven wirkte. Doch das Leitmotiv, der einzigen Melodie vergleichbar, die in dieser absonderlichen Symphonie von Gerüchen immer wiederkehrte, die Süße der Vanille und die Schärfe der Orchideen besiegend und erstickend, war dieser menschliche Duft, dieser durchdringende, sinnliche Liebesodem, der des Morgens dem geschlossenen Zimmer zweier junger Ehegatten entströmt.
Langsam hatte sich Renée an den Granitsockel gelehnt. In ihrem grünen Seidenkleide, mit dem von den klaren Tropfen ihrer Diamanten bethauten, gerötheten Hals und Kopf glich sie einer großen rothen und grünen Blume, einer der durch die Hitze ohnmächtig gewordenen Nymphäen des Bassins. In diesen Augenblicken vollkommener Entnervung zerflatterten ihre guten Vorsätze für alle Zeit; die Trunkenheit des Diners drang ihr überwältigend, vermehrt noch durch die sinnberückenden Einflüsse des Treibhauses zu Kopfe. Sie dachte nicht mehr an die kühle Nacht, die sie beruhigt hatte, nicht mehr an die murmelnden Schatten des Parkes, deren Stimmen ihr den glücklichen Frieden angerathen. Die Sinne der begehrenden Frau, die Launen der übersättigten Frau erwachten in ihr. Und über ihrem Kopfe lachte die Sphinx grinsend, als hätte sie ihn errathen, diesen endlich erkannten Wunsch, welcher dieses todte Herz galvanisirte, das lange verkannte Begehren, dieses »Andere«, wonach Renée, von ihrem Wagen gewiegt, in der sinkenden Nacht vergebens gesucht hatte und das nun mit einem Male, im grellen Lichte dieses Feuergartens vor ihr stand, hervorgerufen durch den Anblick dieser beiden jungen Leute, – Luisens und Maximes – die Hand in Hand mit einander scherzten und plauderten.
In diesem Augenblick ertönten Stimmen aus einer nahen Laube, in welche Aristide Saccard die Herren Mignon und Charrier geführt hatte.
»Nein, nein, Herr Saccard«, sprach die tiefe Stimme des Letzteren; »wir können Ihnen nicht mehr als zweihundert Francs für den Meter geben.«
Dagegen protestirte aber die kreischende Stimme Saccards:
»Sie haben mir aber beim Verkaufe den Meter mit zweihundertfünfzig Francs berechnet!«
»Nun denn, hören Sie; wir wollen zweihundertfünfundzwanzig Francs sagen.«
Und weiter tönten die Stimmen, brutal, befremdend unter den wogenden Palmenkronen. Doch vermochten sie nicht das Sinnen Renées zu stören, die einen noch unbekannten Genuß voll verbrecherischer Lust vor sich auftauchen sah, heißer und verzehrender, als Alles, was sie bisher verkostet; das Letzte, was ihr die Wollust noch zu bieten vermochte. Sie war nicht mehr müde, nicht mehr erschöpft.
Der Strauch, hinter welchem sie halb versteckt stand, war eine giftige Pflanze, ein Tanghin aus Madagaskar, mit breiten Blättern und weißlichen Stengeln; die zartesten Fasern dieses Gewächses sondern einen giftigen Saft aus. Und in einem Augenblick, da Luise und Maxime in dem Dämmerlichte des Salons lauter als bisher lachten, erfaßte Renée wie von Sinnen, mit den harten vertrockneten Lippen einen Zweig des giftigen Strauches, welcher ihr gerade in Mundhöhe hing und biß in eines der bitteren Blätter.
II.
Es war nach dem zweiten Dezember, als Aristide Rougon mit dem Instinkte der Raubvögel, die von Weitem das Schlachtfeld wittern, auf Paris herniederstieß. Er langte aus Plassans, einer Unterpräfektur des Südens an, wo sein Vater aus dem trüben Wasser der Ereignisse endlich eine schon seit langer Zeit angestrebte Steuereinnehmer-Stelle erreicht hatte. Nachdem er sich, noch jung an Jahren, einfältigerweise kompromittirt hatte, ohne Nutzen oder Ruhm davon zu haben, mußte er sich glücklich schätzen, daß er mit heiler Haut davongekommen. Wüthend über die erlittene Schlappe, langte er in Paris an, fluchte der Provinz, sprach von der Hauptstadt mit der Beutegier eines Wolfes und schwor, daß »er nicht mehr so dumm sein werde« und das giftige Lächeln, mit welchem er diese Worte begleitete, nahm auf seinen schmalen Lippen eine unheimliche Bedeutung an.
Er langte in den ersten Tagen des Jahres 1852 an. Er brachte seine Frau Angèle, eine blonde,
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