Die Treibjagd
Toutin-Laroche, der sich seinen Kollegen auch sonst sehr unangenehm zu machen wußte, war heute von einer geradezu unerträglichen Bosheit. Er gerieth in Zorn und begann die Hauseigenthümer zu vertheidigen.
»Wir Alle sind Hauseigenthümer, meine Herren,« schrie er. »Der Kaiser will ein großes Werk schaffen, knickern wir doch nicht bei solchen Kleinigkeiten. Dieses Haus muß wohl seine 500 000 Francs werth sein, denn einer der unserigen, ein Beamter der Stadt hat diese Ziffer ausgesprochen... Wahrlich, man sollte meinen, wir lebten in den Abruzzen; schließlich werden wir uns noch gegenseitig verdächtigen!«
In seinem Fauteuil liegend blickte der Baron Gouraud mit überraschter Miene verstohlen zu Herrn Toutin-Laroche hinüber, der zu Gunsten der Hauseigenthümer in der Rue de la Pepinière ganz Feuer und Flamme war. Ein Verdacht erwachte in ihm. Da ihn aber dieser heftige Ausfall der Nothwendigkeit enthob, selbst das Wort zu ergreifen, so begnügte er sich zum Zeichen seiner bedingungslosen Zustimmung bei jedem Worte mit dem Kopf zu nicken. Das Mitglied aus der Rue d'Astorg aber leistete entrüstet Widerstand und wollte sich in einer Frage, von welcher es besser unterrichtet war als die anderen Herren, nicht den beiden Tyrannen der Kommission beugen. Herr Toutin-Laroche, der das zustimmende Kopfnicken des Barons wohl wahrgenommen, raffte nun zornig die Papiere zusammen und warf trocken hin:
»Nun gut, wir werden Ihren Zweifeln eine Ende bereiten... Wenn Sie erlauben, nehme ich die Sache auf mich und Baron Gouraud wird mir bei der Untersuchung beistehen.«
»Gewiß,« stimmte der Baron ernst bei; »nichts Verdächtiges darf unseren Beschlüssen anhaften.«
Schon waren die Papiere in den geräumigen Taschen des Herrn Toutin-Laroche verschwunden und der Kommission blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Auf der Straße angelangt, blickten die beiden Biedermänner einander an, ohne zu lachen. Sie waren sich bewußt, Komplizen zu sein und traten nur umso würdevoller auf. Zwei gewöhnliche Geister hätten eine Erklärung mit einander gehabt. Sie aber fuhren fort, die Hauseigenthümer in Schutz zu nehmen und den Geist des Mißtrauens zu beklagen, der sich überall einzunisten begann, als hätte man sie noch hören können. In dem Augenblicke, da sie von einander Abschied nehmen wollten, sagte der Baron lächelnd:
»Ach, lieber Kollege, da habe ich ganz vergessen, daß ich sofort auf's Land abreisen muß. Sie werden wohl die Güte haben, diese kleine Untersuchung ohne mich vorzunehmen... Und vor Allem: verrathen Sie mich nicht; die Herren beklagen sich ohnehin, daß ich mir zu oft Urlaub nehme.«
»Seien Sie ganz unbesorgt,« erwiderte Toutin-Laroche; »ich begebe mich unverzüglich in die Rue de la Pepinière.«
Damit begab er sich ruhig nach Hause, von einer gewissen Bewunderung für den Baron erfaßt, der die schwierigen Situationen so gewandt zu lösen verstand. Er behielt die Papiere bei sich und erklärte in der nächsten Sitzung gebieterischen Tones in seinem, so wie im Namen des Barons, daß man zwischen dem Gebot von 500 000 Francs und der Forderung von 700 000 Francs den Mittelweg einschlagen und 600 000 Francs bewilligen müsse. Keine Stimme des Widerspruches wurde laut. Das Kommissionsmitglied aus der Rue d'Astorg, das offenbar über die Sache nachgedacht hatte, erklärte mit liebenswürdiger Miene, daß es sich getäuscht und geglaubt habe, es handle sich um das angrenzende Haus.
So errang Aristide seinen ersten Sieg. Er vervierfachte sein Betriebskapital und sicherte sich zwei Helfershelfer. Eine Sache blos beunruhigte ihn: als er die famosen Bücher der Frau Sidonie vernichten wollte, fand er sie nicht mehr. Er eilte zu Larsonneau, der ihm rundheraus erklärte, daß er dieselben bei sich habe und auch zu behalten gedenke. Der Andere schien darob gar nicht aufgebracht, sondern sagte blos, er habe sich nur um seines theuren Freundes willen beunruhigt, der viel mehr gefährdet sei als er, da jene Skripturen fast ganz von seiner Hand herrührten; doch sei er vollkommen beruhigt, sobald er dieselben in seinem Besitze wisse. In Wahrheit aber hätte er den »theuren Freund« gerne erdrosselt; er erinnerte sich, daß ein sehr kompromittirendes Schriftstück, ein falsches Inventar vorhanden sei, welches er verfaßt und unbedachterweise in einem der Bücher vergessen hatte. Larsoneau errichtete, nachdem er reich belohnt worden, in der Rue de Rivoli eine Agentur, deren Räumlichkeiten mit dem
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