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Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Malfi
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zwei Teile. Die Nägel hielten die beiden Hälften jeweils an den Seiten fest, sodass eine Scharte in der Mitte klaffte. Ich ging auf die Knie und zog die Teile einhändig mitsamt den Nägeln heraus. Da meine Finger gefühllos blieben, war es schwierig, ihnen meinen Willen zur Bewegung aufzuzwingen, zumal die eine Hand wieder zu bluten begonnen hatte. Es tropfte überallhin.
    »Travis!«
    Als ich die beiden Planken von der Stufe gerissen hatte, warf ich sie an der Treppenseite hinunter ins Wasser – klatsch, klatsch – und schaute in das entstandene Loch. Darin stieß ich auf mein Spiegelbild. Es starrte mich aus einem Rechteck schwarzen Wassers an.
    Wirf einen Anker aus.
    Ich hielt den Griff fest umschlossen, beugte mich über die Öffnung und rammte den Kopf der Axt ins Wasser. Ich wollte die ganze gottverdammte Treppe falls nötig auseinandernehmen, mit bloßen Händen, meinen gefrorenen Fingern, meinen blutigen Flächen, einfach um ihn zu retten, um meinen –
    Das Blatt traf auf einen Widerstand, wobei irgendetwas voneinander getrennt wurde.
    Was auch immer es war: Es schabte beim Auftauchen am Griff. Ich starrte verbissen in die brackige Brühe, auf dass es endlich auftauchte. Und wartete.
    Als es so weit war, ragte es mitten in den Resten der Stufe heraus und trieb innerhalb des Rechteckes an der schwarzen Oberfläche.
    Es trieb.
    Meine Hände erschlafften, die Axt rutschte ins Wasser. Ich konnte meine Augen nicht von diesem Ding im Wasser abwenden. Ein gebrochener Mann war ich, benommen und unterkühlt, verloren im Taumel meiner Paranoia. Ich starrte es an, und niemand konnte es mir nehmen oder leugnen, was es war …
    Ein Torso.
     
     

Teil vier
     
    in die tiefe
     
     
     
     
     
     

 
     
     
     
     
     
     
     
    Kapitel 29
     
    Da sind Lichtfäden, die wie Saphire glimmen. Geruhsam vollziehe ich nach, wie die zwölf Finger meiner Hand Schlieren in den Äther zeichnen. Der Ort, an dem ich mich befinde, liegt fernab der bewussten Wahrnehmung. Ich sitze in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, am Küchentisch und schaue meiner Mutter beim Zubereiten von Geflügel mit Erbsen und Knoblauch zu. Dabei summt sie leise vor sich hin und merkt gar nicht, dass ich sie beobachte, denn ich bin ein Geist, ein Schemen oder Schatten. Willentlich begab ich mich auf die andere Seite, tauschte mein heutiges Ich gegen ein früheres ein und beanspruchte einen Platz an der Tafel der ewig Abkömmlichen, auf immer Verdammten.
    Getrappel auf dem Holzboden, ein Flüstern wie herabsinkende Spinnweben. Was ist das Entsetzlichste, das du je getan hast?
    Ich trotte auf einem Wüstenhighway voran. Über dem kochenden Asphalt wabert die Luft, und bei jedem Schritt bleibt Teer wie geschmolzene Kamellen an meinen Sohlen kleben. Der Blick zum Horizont schmerzt. Wirre Büschel von Unkraut scheinen mitten aus der Fahrbahn zu sprießen, doch beim Näherkommen stelle ich fest, dass es sich in Wirklichkeit um Haare handelt. Menschen liegen unter dem heißen Straßenbelag, und nur ihre Schädeldecken treten wie Rücken von Buckelwalen hervor. Ich kann sie beim Schopf packen und an den sonnenwarmen, spröden Strähnen ziehen. Einem Loslassen, der Kapitulation kommt es gleich, als der klebrige Asphalt aufweicht und die eingesunkenen Leichname aus ihrer Gefangenschaft entlässt. Der Teer schlägt gurgelnd Blasen, stinkt ätzend nach Methan.
    Wie sich herausstellt, fehlt jeweils der Rest des Körpers unterm Skalp von den Augenbrauen abwärts. Jedes Mal, wenn die Straße einen freigibt, stolpere ich rückwärts, weil ich zu kräftig ziehe, und falle hart auf den Boden.
    Irgendwo, sinne ich, gibt es ein unermessliches, rätselhaftes Meer, in dem Menschen gegen das Ertrinken ankämpfen, während das Farbenspiel auf dem Wasser sie wahnsinnig macht.
    Ich wandere auf dem Wüstenhighway und pflücke Kopfhäute vom Boden wie ein Nomade, als seien sie Trophäen.
     
    Gegen Ende der Woche wütete das Fieber seinem Ende entgegen.
    Jodie machte gerade den Küchenherd sauber. Sie wirkte überrascht, als ich im Türbogen stand. »Ich wollte dir gerade Suppe kochen.«
    Ich trat zu ihr hin, nahm sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Bald darauf war mein Hals feucht von ihren stummen Tränen.
    Dienstags kamen zwei Männer in marineblauen Overalls mit einem Lastwagen, an dessen Seite in grell orangefarbenen Buchstaben von gut einem Fuß Höhe Allegheny Umzugshilfe & Häuserräumung prangte.
    »Was ist das?«, fragte der dickere der beiden.

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