Die Treue des Highlanders (German Edition)
ihr Gefängnis kaum größer als drei mal drei Meter war. Die Wände bestanden aus rauen, unbehauenen Steinen, an denen Moos und Schimmel wuchsen. In einer Ecke gab es einen Holzeimer mit Deckel, der wohl für ihre Notdurft bestimmt war. Als Anna zum ersten Mal den Deckel hob, weil sie den Druck in ihrer Blase nicht mehr aushielt, entstieg dem Eimer ein so schrecklicher Gestank, dass sie sich würgend in die Ecke erbrach. Das Brot verschmähte Anna, aber bald war ihr Durst übermächtig, und sie benetzte ihre Lippen mit dem fauligen Wasser, spülte ihren Mund aus und versuchte, nicht allzu viel davon zu schlucken.
»Und ich habe mal lauwarmes Bier und Wein verpönt«, murmelte Anna und hätte für einen Krug Bier alles gegeben. In ihrer Phantasie erkrankte sie an schrecklichen Infektionen, verursacht durch das schlechte Wasser, die feuchte Kühle und das schimmlige Stroh. Da Anna nicht wusste, was man mit ihr vorhatte, war es durchaus möglich, dass sie gar nicht mehr so lange lebte, um zu erkranken. Man hatte sie als Hexe bezeichnet. Was ein solcher Vorwurf im sechzehnten Jahrhundert bedeutete, war Anna durchaus bewusst. Trotz ihrer eigenen Pein machte sie sich aber auch große Sorgen um Duncan. War er ebenfalls verhaftet und eingesperrt worden? Etwas musste mit ihm geschehen sein, denn sonst wäre er ihr längst zu Hilfe geeilt.
Nach einer, wie es Anna schien, unendlich langen Zeit wurde die Tür aufgeschlossen, und zwei große Männer mit Fackeln traten ein. Anna wehrte sich nicht, als einer ihre Hände wieder auf dem Rücken fesselte und sie aus der Zelle zerrte. Egal, was nun geschehen würde – alles war besser, als noch länger in Ungewissheit in diesem Loch zu vegetieren.
Die Männer führten Anna in einen Raum im zweiten Geschoss des Hauses, in dessen Keller sich der Kerker befand, und Anna empfing eine wohlige Wärme, denn das Feuer im Kamin brannte lichterloh. Anna wollte zum Kamin gehen, aber ein gut gekleideter, älterer Mann trat ihr in den Weg.
»Setz dich!«, herrschte er sie an, durchschnitt ihre Fesseln und zeigte auf einen Stuhl, der mitten im Zimmer stand. Anna sah nun, dass der Raum lediglich mit ein paar Tischen und Stühlen eingerichtet war, es fehlte jeder Zierrat, und die zwei schmalen Fenster waren vergittert.
»Was habt Ihr mit mir vor?«, flüsterte Anna und blickte flehend zu ihm hoch.
Doch bevor dieser antworten konnte, öffnete sich eine zweite Tür und ein hagerer Mann mit grauem Bart, gefolgt von zwei weiteren Männern, trat ein. Annas Herz schlug schneller. Offenbar war sie eine Gefangene von John Knox höchstpersönlich, und das verhieß nichts Gutes. Wie Recht sie damit hatte, bewiesen seine Worte, die er donnernd an sie richtete:
»Anna Wheeler, gibst du zu, mit den Mächten der Finsternis in Verbindung zu stehen? Mit ihnen zu kooperieren mit dem Ziel, Menschen zu verderben und Not und Elend über das Land zu bringen?«
Das darf nicht wahr sein, dachte Anna verzweifelt. Oft schon hatte sie solche Worte in Romanen gelesen oder in Filmen gehört, sich aber nie vorstellen können, selbst einmal so angeklagt zu werden. »Master Knox, die Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen. Ich bin weder eine Hexe noch habe ich vor, irgendjemandem zu schaden.«
Knox’ Augen verengten sich zu bösartigen Schlitzen. »So? Und warum sagst du dann der Königin die Zukunft voraus? Eine Zukunft, in der sie den Tod finden wird?«
»Jetzt tut mal nicht so, als ob Ihr nicht selbst wollt, dass Maria Stuart abgesetzt wird!«, rief Anna unbedacht. »Sie ist Euch doch von dem Augenblick an, als sie ihren Fuß auf schottischen Boden gesetzt hat, ein Dorn im Auge gewesen, und Ihr seid ihr erklärter Feind. Ihr habt Euch mit Moray verbündet, der seine Halbschwester in wenigen Wochen vom Thron stürzen und den Kronprinzen in seine Gewalt bringen wird. James wird als guter, protestantischer König gekrönt und in Eurem Sinne, Master Knox, erzogen. So wird es doch sein, oder etwa nicht?«
John Knox fuhr zurück, als hätte Anna ihn mitten ins Gesicht geschlagen. Zweifellos war sie eine Hexe! Wie sonst könnte sie die geheimen Pläne, die er mit dem Earl von Moray schmiedete, kennen? Knox war sich sicher, in seinen Reihen keinen Verräter zu haben. Er gab einem Wachmann einen Wink. »Zieht sie aus!«
»Nein!«, schrie Anna, als ihr das schmutzige Nachthemd vom Leib gezerrt wurde. Sie war keinesfalls prüde, hatte sich an Stränden immer oben ohne gesonnt, aber jetzt stand sie splitterfasernackt vor einer
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