Die Treue des Highlanders (German Edition)
sie doch seit dem Morgen nichts mehr gegessen. »Haben Sie keinen Hunger? Ich denke, wir sollten jetzt etwas essen, dabei überlegen wir uns, wie es mit Ihnen weitergehen soll.«
Duncan warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Einem Mahl wäre ich nicht abgeneigt, bevor ich mich auf die Rückreise mache. Aber sagt, Mistress Anna, was wollt Ihr zubereiten? Ich sah in Eurer Hütte keine Vorräte.«
»Ich dachte auch nicht daran, selbst zu kochen, sondern in ein Gasthaus zu gehen. Ich muss gestehen, ich bin keine sonderlich gute Köchin.«
Duncan murmelte etwas, was sich für Anna wie »Das hätte ich auch nicht erwartet« anhörte. Sie verkniff sich aber eine Antwort darauf. Kurz dachte sie daran, mit Duncan in das
Caledonien Hotel
zu gehen, in dem Bruce und Lilian wohnten. Vielleicht würde sie Bruce dort antreffen, und sein Gesicht zu sehen, wenn sie sich immer noch in Begleitung des attraktiven Schotten befand, war verlockend. Dann aber blickte Anna an sich herunter. Ihre Jeans und der schlichte roséfarbene Wollpullover waren für einen Besuch in einem solch exquisiten Restaurant nicht geeignet. Noch weniger Duncans Kleidung. Er sah aus, als käme er gerade von der Feldarbeit.
»Wir fahren nach Glenmalloch zurück. Im dortigen Pub bekommen wir ein Abendessen«, beschloss Anna. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass jemand Duncan kannte, war doch ein Pub, besonders auf dem Land, der Treffpunkt aller Einwohner des ganzen Dorfes.
»Ihr denkt sicherlich, ich sei verrückt, und wollt mich in ein Irrenhaus bringen, nicht wahr?«
Anna verriss beinahe das Lenkrad und geriet auf die Gegenfahrbahn, als Duncan sie mit seiner Spekulation konfrontierte – und prompt ins Schwarze traf.
»Das hatte ich keinesfalls vor«, wich sie aus, als sie das Auto wieder unter Kontrolle hatte. Zum Glück war nicht viel Verkehr. »Ich will Ihnen doch nur helfen.«
»Indem Ihr mich einsperren wollt?«
»Nein, indem ich Sie zu einem Arzt bringe, der sich Ihrer Sache annimmt. Es ist keine Schande, psychische Probleme zu haben. Im Gegenteil, in manchen Kreisen oder Ländern, zum Beispiel in den USA, ist es sogar chic, einen eigenen Psychotherapeuten zu haben.«
Duncan verschränkte die Arme vor der Brust und starrte minutenlang auf die Straße, bevor er sagte: »Ich war einmal in einem Irrenhaus in Edinburgh.«
Anna trat so hart auf die Bremse, dass der Wagen einen Satz machte und sie beide in den Gurten nach vorne geschleudert wurden. Der Motor verstummte gurgelnd. Zum Glück hatte sie Duncan vor Fahrtantritt höchstpersönlich angeschnallt, denn er selbst hatte so getan, als hätte er nie zuvor einen Gurt gesehen.
»Dann kommen Sie aus Edinburgh? Sind Sie von dort ... äh ... geflohen?«
»Gott behüte! Ich sagte, ich war schon mal in einer solchen Einrichtung, und nicht, dass ich selbst eingesperrt war. Was denkt Ihr denn von mir, Mistress Anna? Ich bin nicht verrückt, im Gegenteil. Der Besuch liegt Jahre zurück, und er hat mich sehr amüsiert. Die Menschen oder das, was man als Mensch noch bezeichnen kann, sind wie wilde Tiere in Käfige gesperrt und siechen in ihrem eigenen Unrat vor sich hin. Die meisten wissen gar nicht mehr, wer sie sind, und sind dermaßen gewalttätig, dass man sie in Ketten legen muss. Jeden Sonntagnachmittag kann die Bevölkerung diese Kreaturen besichtigen. Das ist ein großer Spaß für die ganze Familie.«
Anna glaubte, sich verhört zu haben. »Amüsiert? Ein Spaß?« Ihre Hände krampften sich um das Lenkrad. »Was sind Sie nur für ein Mensch? Weiden sich an dem Elend und Leid der Menschen!«
»Das seht Ihr falsch, Mistress Anna, mich haben die Zustände in der Anstalt durchaus berührt, darum haben wir uns ja auch dazu entschlossen, unsere verrückte Verwandte auf den Dachboden zu sperren und nicht in eine Anstalt zu geben.«
»Sie haben
was
?« Anna war froh, dass sie bereits parkte, denn spätestens jetzt hätte sie das Auto unweigerlich in den Straßengraben gelenkt.
Duncan schien ihr Entsetzen völlig zu entgehen, denn er fuhr ruhig fort: »Es handelte sich um eine entfernte Cousine meiner Mutter, die völlig mittellos in unseren Haushalt kam. Bald schon merkten wir, dass sie nicht ganz richtig im Kopf war. Sie sah und sprach mit Personen, die sonst niemand sehen konnte, und da niemand von uns an Geister glaubt, wussten wir, dass sie verrückt war. Zuerst amüsierte uns ihr Verhalten, dann aber schienen ihr die Stimmen anzuweisen, an allen möglichen und unmöglichen Orten Feuer zu legen. Nachdem sie
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