Die Treue Des Highlanders
Banditen und Verbrecher in Ketten vorführen.«
Wegen der weiten Entfernung und der schlechten Straßenverhältnisse konnten die Verbrecher nicht immer in die Hauptstadt gebracht werden, und so war es üblich, einmal im Jahr einen Gerichtstag im Süden abzuhalten, an dem die Königin den Vorsitz führte. Anna wusste jedoch, warum Maria Stuart gerade jetzt auf eine Reise nach Jedburgh drängte, und sie war froh, als die Königin sie zu den Damen wählte, die sie begleiten sollten. In aller Eile wurde gepackt und alles auf Wagen verladen. Zwar hatte Anna schon gelesen, dass die Monarchen vergangener Zeiten mit einem großen Tross reisten, aber was sich dann tatsächlich an einem goldenen Oktobermorgen in Bewegung setzte, war unbeschreiblich! Rund vierzig Wagen, bis an den Rand beladen mit Möbeln und Gütern, auf die Maria nicht verzichten wollte, zehn Kutschen, acht Dutzend Soldaten zu Pferde und weitere vier Dutzend zu Fuß verließen die Stadt in Richtung Süden. Sehr zu Annas Bedauern war Duncan nicht mit von der Partie, aber sie teilte sich in einer Kutsche den Platz mit ihrer neuen Freundin Claire. Die Reise dauerte drei Tage, übernachtet wurde in erstklassigen Wirtshäusern, die sofort alle anderen Gäste vor die Tür setzten, wenn der Vorreiter die Ankunft der Königin meldete. Ihr Quartier in Jedburgh lag mitten auf der Hauptstraße der kleinen Stadt und war nicht sehr groß. Der Großteil des reichlichen Gefolges wurde in der Nachbarschaft untergebracht, Anna und Claire konnten sich aber mit vier weiteren Damen ein Zimmer im Haus teilen. Es ging eng zu, sie mussten sich zu dritt auf eine schmale Bettstatt quetschen. Auch gab es hier keine Alkoven, und Anna musste sich wieder daran gewöhnen, sich ihrer Notdurft entweder vor den Augen der anderen ins Nachtgeschirr zu entledigen oder den grässlich stinkenden Bretterverschlag im Garten aufzusuchen.
»Warum hat man den Buchdruck eigentlich vor der Wassertoilette erfunden?«, schimpfte sie und versuchte, beim Besuch im Garten so lange wie möglich die Luft anzuhalten.
Zwei Tage lang hielt Maria im Erdgeschoss des Hauses in einem notdürftig mit Tüchern ausgekleideten Thronsessel Gericht. Es handelte sich hauptsächlich um Nichtigkeiten, Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder üble Nachrede, bei denen die Anwesenheit der Königin nicht von Nöten gewesen wäre. Doch dann wurde das tägliche Einerlei durch einen Boten unterbrochen. Er kam aus dem Süden, von Hermitage Castle, dem Besitz des Earl von Bothwell.
»Majestät, eine schlimme Nachricht!«, keuchte er und fiel vor Maria auf die Knie.
»Sprecht!«, forderte diese ihn auf, eine böse Vorahnung jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
»Der Earl ... er ist verletzt und ringt mit dem Tode ...«
»Was ist geschehen?«, fragte James Stuart, Marias Halbbruder, schnell, um den Boten von Marias Reaktion, die einer Ohnmacht nahe war, abzulenken.
»Unsere Truppen wurden aus dem Hinterhalt angegriffen. Es war eine Falle, und sie waren in der Überzahl. Es kam zum Zweikampf zwischen dem Grafen und James Elliot, dem Anführer der Rebellen. Der Graf hatte Elliot bereits in die Enge gedrängt und sogar eine Verwundung am Oberschenkel zugefügt, als Bothwell über einen Stein stolperte und stürzte. Elliot, obwohl sofort von unseren Männern umzingelt, stieß sein Schwert in Bothwells Leib. Er ... Mylord ... er ringt mit dem Tode.«
James befahl, den Boten in die Küche zu bringen und ihm Essen und Wein zu geben, dann wandte er sich an die Königin. »Schwester, Ihr müsst jetzt stark sein ...«
Nur wenn James mit seiner Halbschwester allein war, schlug er einen solch vertraulichen Ton an. Maria hob den Kopf. »Ihr wisst?«
James nickte, er las die Wahrheit in ihren Zügen. Maria war noch nie eine Frau gewesen, die ein Geheimnis hatte verbergen können.
»Guter Moray, was soll ich jetzt tun?« Maria Stuart sprach ihn stets mit seinem offiziellen Titel an. »Was
kann
ich tun? Wenn er nun stirbt ...«
Vorsichtig legte James eine Hand auf Marias Schulter, sie wehrte sie nicht ab. »Ihr seid die Königin, doch Bothwell nur ein Untertan Euer Gnaden. Ihr müsst jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Wir werden die nächsten Nachrichten abwarten, zu gegebener Zeit kann Eure Majestät dann vielleicht geruhen, einem treuen Diener einen Krankenbesuch abzustatten.«
Über Marias goldgesprenkelte Augen fiel ein Schatten. »Ich verstehe, Moray, und ich werde tun, was das Land von mir erwartet. Aber irgendwann werde ich auch das tun, was
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