Die Treue Des Highlanders
nächsten Morgen erschien Doktor Arnault, ein Arzt, den man in der Umgebung aufgetrieben hatte. Er machte einen vertrauenswürdigen Eindruck, allerdings ließ er die Königin zur Ader.
Vergeblich protestierte Anna gegen das Verfahren. »Der Blutverlust wird die Königin noch mehr schwächen!«, rief sie und wurde daraufhin kurzerhand aus dem Krankenzimmer geworfen.
Wenigstens war die Medizin im sechzehnten Jahrhundert so weit fortgeschritten, dass man Maria gegen das Fieber kalte Wadenwinkel anlegte und diese alle zwei Stunden erneuerte. Trotzdem ging es ihr von Tag zu Tag schlechter, und sie bekam nichts davon mit, dass der Earl von Bothwell mit einer Sänfte von Hermitage nach Jedburgh gebracht worden war und jetzt unter demselben Dach wie die Königin zu genesen versuchte. In den wenigen Augenblicken, in denen Maria Stuart Herrin ihrer Sinne war, gab sie ihrem Halbbruder James leise und stockend Anweisungen für den Fall ihres Ablebens.
»Halte Darnley vom Thron und meinem Sohn fort! Er würde die Macht nur für seine egoistischen Ziele missbrauchen.«
Um Maria nicht aufzuregen, versprach James, ganz in ihrem Sinne zu handeln, auch wenn er wusste, er würde gegen Darnley nichts ausrichten können, denn er war der gekrönte König Schottlands und Vater von Marias Sohn, wenngleich anders lautende Gerüchte immer noch nicht verstummt waren.
Vor dem Haus in der Hauptstraße versammelten sich stündlich mehr Menschen – Arme und Reiche, Bettler und Bauern. Sie alle beteten für die Königin, gleich in welcher Form und in welchem Glauben. Obwohl die meisten den schottischen Gesetzen folgten und der protestantischen Kirk angehörten, flehten viele die Jungfrau Maria an, denn sie wussten, wie sehr die Königin mit dem Katholizismus verwurzelt war. Aber alle Gebete schienen zu verpuffen, denn Marias Fieber stieg, und die Abstände, in denen sie bei Bewusstsein war, wurden immer länger.
Am Morgen des dritten Tages von Marias Krankheit wurden Boten nach Edinburgh, Stirling und Glasgow ausgesandt, die verkündeten: »Maria Stuart, König von Schottland, Irland, England und Frankreich liegt im Sterben!«
7. KAPITEL
Am elften Tag ihrer Krankheit spuckte Maria eine große Menge schwarzen Blutes, und der Priester, der Tag und Nacht an ihrem Bett weilte, machte sich bereit, der Königin die Letzte Ölung zu verabreichen. Überraschenderweise ging es Maria aber ab dem Moment stündlich besser, sie erholte sich so rasch, wie die Erkrankung gekommen war.
»Das Magengeschwür scheint aufgeplatzt zu sein«, sagte Anna zu Claire. »Dabei besteht zwar auch die Gefahr, dass der Patient innerlich verblutet, aber die Königin hat Glück gehabt.«
Sie umarmte Claire und tanzte mit ihr ausgelassen über die Flure. Aus den Augen der Freundin sprach ehrliche Bewunderung. »Wenn ich früher an Irland dachte, dann habe ich mir immer ein düsteres und rückständiges Land ohne jegliche Zivilisation vorgestellt. Du, Anna, weißt jedoch so vieles und verfügst über Erfahrungen, um die ich dich wirklich beneide. Sag, warum heiratest du eigentlich nicht? Jeder Mann würde eine Frau wie dich bewundern und stolz sein, dich an seiner Seite zu haben.«
Wehmütig zuckte Anna mit den Schultern. »Ich heirate nur einen Mann, den ich wirklich liebe ... und der mich ebenso liebt.« Sie dachte für einen Augenblick an Bruce, von dem sie einst geglaubt hatte, sie wäre wichtig in seinem Leben. »Ich bin keine Frau, die Kompromisse eingeht.«
»Nein, dass bist du wahrlich nicht. Was ist eigentlich mit deinem Cousin? Dem Laird von Glenmalloch? Oder lässt eure verwandtschaftliche Beziehung eine Ehe nicht zu?«
»Duncan?« Anna merkte, wie sich ihre Wangen rot färbten. »Er ist nur ein Verwandter, mehr nicht. Duncan und ich – das würde niemals gut gehen, denn unsere Ansichten und Meinungen klaffen zu weit auseinander.«
»Aber du magst ihn doch, oder?«, ließ Claire nicht locker.
Anna verzichtete auf eine Antwort und schüttelte nur stumm den Kopf.
Jeden Tag gab Anna Claire einen Grund, sich über die Freundin zu wundern. Obwohl Anna sich nach Kräften bemühte, sich der allgemeinen Ausdrucksweise anzupassen, benutzte sie immer wieder Formulierungen, die nicht in die damalige Zeit passten. Manchmal bekam sie vor Anstrengung Kopfschmerzen, wenn sie sich überlegen musste, welche Wörter sie meiden musste, weil sie nicht zeitgemäß waren oder eine andere Bedeutung hatten.
Erst am Tag zuvor war Anna bei Lady Argyll ins Fettnäpfchen getreten und hatte
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