Die Treue Des Highlanders
junge Frau ihr Glauben schenken würde. So folgte sie Claire, die sich in dieser Umgebung sichtlich unwohl fühlte und auf eine Rückkehr nach Holyrood drängte, wieder die Straße hinunter in Richtung des Palastes. Anna selbst hätte noch stundenlang die engen Gässchen erkunden können, sah aber ein, dass die Gegend für eine Frau aus der besseren Gesellschaft gefährlich sein konnte. Auf dem großen Platz vor der Kathedrale St. Giles, auf der sich auch das Marktkreuz befand, herrschte dichtes Gedränge.
»Was ist denn hier los?«
»Wahrscheinlich eine Predigt von John Knox. Wenn er spricht, ist die Kirche immer voll«, antwortete Claire und wollte weitergehen, aber Anna hielt sie am Ärmel fest.
»Lass uns hineingehen, ich möchte ihn hören.«
Claire wiegte nachdenklich den Kopf. »Das würde der Königin nicht gefallen, Anna. Sie hasst Knox, der nichts unversucht lässt, sie bei dem Volk in Misskredit zu bringen.«
»Sie braucht es ja nicht zu erfahren«, antwortete Anna und ging auf das Kirchenportal zu. »Ich möchte nur einmal selbst sehen und hören, was an diesem Mann so beeindruckend sein soll, dass er mit seinen Worten ganz Schottland in den Bann zieht.«
Claire folgte ihr zögernd, und eine Stunde später wusste Anna, was die Faszination John Knox’ ausmachte. Er war kein schöner Mann, hoch gewachsen und hager, mit grauem Haupthaar und Bart. Aber in seinem Gesicht funkelten zwei Augen wie glühende Kohlen, und Anna las darin den Fanatismus, der solche Menschen gefährlich machte. John Knox war eine der Personen, die glaubten, Gott hätte sie einzig und allein aus dem Grund auf die Welt gesandt, um diese zu verbessern.
»... und die große Hure Babylons, der man nie die wahren Lehren beigebracht hat, ist nicht gewillt, von ihrem ausschweifenden und lasterhaften Leben inmitten von Musik, Tanz und Völlerei Abstand zu nehmen, während das Volk hungert und im ganzen Land nach Korn schreit«, donnerte seine Stimme von der Kanzel, und Hunderte von Ohren sogen die Worte wie Schwämme auf. »Man hat ihr zugestanden, ihrem ketzerischen Glauben hinter verschlossenen Türen zu frönen, aber das war ein Fehler. Ein schwerer Fehler, denn sie wird nichts unversucht lassen, um in Schottland wieder die Papisterei einzuführen und das Land in Dunkelheit und Finsternis zu versenken ...«
Fassungslos schüttelte Anna den Kopf. Tatsächlich strahlte John Knox etwas aus, das es einem beinahe unmöglich machte, seinen Worten keinen Glauben zu schenken. In der Geschichte hatte es immer wieder Personen gegeben, die aufgrund ihrer Worte Tausende, ja Millionen in ihren Bann zogen. Das traurigste Bespiel hatte es im zwanzigsten Jahrhundert in Deutschland gegeben, aber auch im einundzwanzigsten Jahrhundert lebte die Menschheit unter der Bedrohung von fanatischen, selbst ernannten Heiligen, die ihren Glauben über die ganze Welt verbreiten wollten und dabei nicht einmal vor Selbstmord zurückschreckten. Wann würden die Menschen endlich begreifen, dass es nur einen Gott gab – gleichgültig, wie man ihn nannte und verehrte?
Still kehrte Anna mit Claire nach Holyrood zurück. Es bestand kein Zweifel, die Königin und Bothwell teilten bereits das Lager. Unvorstellbar, was geschehen würde, wenn John Knox davon Kenntnis erhielt.
Seit Darnleys regelmäßiger Anwesenheit in Holyrood hielt sich der Earl von Bothwell zurück und erschien nur noch zu offiziellen Anlässen. Im Oktober beschloss Maria Stuart, ihn auf seine Ländereien zu entsenden. Das Grenzgebiet zu England im Süden Schottlands wurde von Banditen heimgesucht, die sich auch nicht davor scheuten, in England einzufallen, um da zu brandschatzen und zu morden. Maria Stuart erhielt einen Brief ihrer Cousine Elisabeth, die darum bat, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Wer aber war für diese Aufgabe besser geeignet als James Hepburn, der Earl von Bothwell, der im Süden selbst wie ein kleiner König herrschte? Das würde natürlich eine lange Trennung bedeuten, wahrscheinlich sogar – weil der Winter vor der Tür stand – eine mehrmonatige. So leicht aber wollte Maria nicht auf ihren Geliebten verzichten, darum beschloss sie wenige Tage, nachdem Bothwell die Stadt verlassen hatte, nach Jedburgh zu reisen.
»Mylords, es wird Zeit, vor dem Winter einen Gerichtstag im Süden abzuhalten. Ich habe mich schon lange nicht mehr in dieser Gegend sehen lassen, und die Leute sollen wissen, dass sie von ihrer Königin nicht vergessen wurden. Außerdem kann mir Bothwell dann gleich alle
Weitere Kostenlose Bücher