Die Treue Des Highlanders
prangten.
Entschlossen nahm Mrs. Wheeler ihre kleine, altmodische Tasche und sagte: »Ich bin gekommen, dich nach Hause zu holen, Anna. Wir können gleich packen und die Abendmaschine nehmen.«
»Aber Mama ...«
»Nichts da, ich dulde keinen Widerspruch!« Mrs. Wheeler zwinkerte verschmitzt, um ihren bestimmten Worten die Schärfe zu nehmen. »Was du jetzt brauchst, ist Ruhe, und welcher Ort wäre dazu besser geeignet als Cornwall?«
Sie flogen nach London, dort fuhr Anna kurz in ihre Wohnung, um die nötigsten Sachen zu packen. Sie rief Bruce an, der sofort alles stehen und liegen ließ und sie aufsuchte. Er zeigte ihr einen Stapel Zeitungen, auf denen Annas Bild auf den ersten Seiten prangte.
»Der Film, den wir letztes Jahr abgedreht haben, war ein hammermäßiger Erfolg! Hier schau, Anna, die Schlagzeilen:
Schauspielerin spurlos verschwunden – wo ist Anna Wheeler?, oder hier: Beste Kritiken für Anna Wheeler – aber kann sie ihren Erfolg überhaupt noch erleben?«
Anna warf einen flüchtigen Blick auf die Zeitungen. Ja, der Film mit Patrick Sandler hatte mehr eingespielt, als Bruce und Peter Jenner sich je zu erträumen gewagt hatten. Sogar in den USA waren die Besucherzahlen so hoch gewesen wie selten bei einer britischen Produktion. Anna berührten die lobenden Worte jedoch nicht, es war, als schrieben die Zeitungen nicht über sie, sondern über einen anderen Menschen, den Anna einst gekannt hatte.
»Ich halte es für eine gute Idee, wenn du ein paar Wochen in Cornwall ausspannst«, fuhr Bruce fort. »Bleib aber nicht zu lange, denn nach deinem plötzlichen Widerauftauchen ist es wichtig, gleich einen neuen Film zu machen, solange du in den Medien präsent bist.«
»Ich weiß nicht, Bruce, mir steht der Sinn gar nicht danach, wieder zu spielen.«
Er nickte verständnisvoll und drückte Anna ein Drehbuch in die Hand. »Versprich mir, es dir anzusehen, wenn du in Cornwall bist. Wir können sofort mit den Dreharbeiten beginnen, wenn du so weit bist. Ich verstehe, dass du den schottischen Film derzeit nicht machen möchtest. Patrick Sandler steht die nächsten Monate ohnehin nicht zur Verfügung. Überleg es dir, mein Schatz, ja?«
Die Anrede berührte Anna unangenehm, ebenso der Kuss, den ihr Bruce beim Abschied auf die Wange drückte. Sie rechnete ihm hoch an, dass er nicht versuchte, ihre Liebesbeziehung fortzusetzen, als wäre nichts geschehen. Tief im Inneren wusste Anna, dass es für sie und Bruce keine gemeinsame Zukunft mehr geben konnte, nicht nachdem sie einen Mann wie Duncan geliebt hatte. Schnell begann Anna zu packen, um die Gedanken an Duncan aus ihrem Kopf zu verbannen. Es war müßig, an die Vergangenheit – im wahrsten Sinne des Wortes – zu denken, die niemals wiederkehren würde. Zweifelnd hielt sie das Drehbuch in den Händen, dann stopfte sie es in ihre Tasche. Sie würde einen Blick hineinwerfen, denn sie war schließlich Schauspielerin. Das Leben ging weiter, und von irgendetwas musste sie ja leben. Außerdem würde sie die Arbeit vielleicht vom ständigen Grübeln, was sie hätte anders machen können, um Duncans Leben zu retten, ablenken.
An der Nordküste Cornwalls, in der Nähe von Padstow, war Anna geboren und aufgewachsen. Das weitläufige Haus befand sich seit vier Generationen im Familienbesitz und war von jedem Wheeler liebevoll in Stand gehalten und entsprechend modernisiert worden. Später, als ihr Vater aus beruflichen Gründen nach Surrey gezogen war, hatten sie das Haus oben auf den Klippen behalten und es entweder an Sommergäste vermietet oder es hin und wieder selbst genutzt. Anna fand das Haus und ihr ehemaliges Mädchenzimmer unverändert vor. Weit öffnete sie die Fensterflügel und atmete tief die würzige Meerluft ein. Im Hafen von Padstow dümpelten Fischerboote und Jachten im Schlick, denn es war Ebbe. Die Sandbank zwischen Padstow und Rock leuchtete wie Gold in der Sonne. Während der Zugfahrt von London nach Cornwall hatte Anna das Drehbuch kurz überflogen, denn ihre Mutter war eingeschlafen, kaum dass sie die Paddington Station verlassen hatten. Bruce hatte Recht – der Film würde sie ablenken und auf andere Gedanken bringen, auch wenn die Geschichte einfach gestrickt war. Ein zeitgenössischer Liebesfilm ohne besonderen Anspruch, in dessen Mittelpunkt ein herrenloser Hund stand. Die Dreharbeiten mit einem Tier würden bestimmt lustig sein, und als Annas Partner war ein junger, aufstrebender, etwas schüchterner Schauspieler vorgesehen, den Anna ein paar
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