Die Treue Des Highlanders
nicht in der Lage, überhaupt ein Buch aufzuschlagen.«
Anna setzte sich neben ihre Mutter und öffnete ein Buch, in dessen Mitte die wichtigsten Persönlichkeiten Schottlands im sechzehnten Jahrhundert abgebildet waren, allen voran natürlich Maria Stuart.
»Sie ist in der Tat eine sehr schöne Frau ... gewesen«, sagte Anna leise. »Darnley hingegen ...«, sie blätterte weiter, »... war verlebt und längst nicht mehr dieser schöne Jüngling, wie hier dargestellt.«
»Anna, solltest du nicht –«, versuchte ihre Mutter sie zu unterbrechen, aber es war Anna, als wäre sie plötzlich von einer großen Last befreit worden. Eifrig blätterte sie weiter, gab Kommentare zu den Personen und erzählte Tatsachen, die in keinem Buch zu finden waren. Dann, als sie das letzte Buch, es war nur ein relativ dünnes Heftchen, durchblätterte, stieß sie auf ein Bild von den Ruinen von Glenmalloch. Mit einem gequälten Schrei tippte sie auf das Foto. »Hier, Mama, schau, hier ungefähr war mein Zimmer und hier die Küche ...« Annas Augen huschten über den Text auf der linken Seite, und ihr Blick fiel auf den Namen Cruachan. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, und sie begann vorzulesen:
»In den letzten Tagen von Marias Herrschaft wurde Duncan Cruachan, der Laird von Glenmalloch, von Anhängern des Earl von Moray auf seinem Besitz wegen Hochverrats verhaftet und einige Wochen später in Edinburgh hingerichtet. Die Familie verlor ihren Besitz und starb im Elend. Erst hundert Jahre später gelang es einem Nachkommen von Douglas Cruachan, die Burg wieder in seinen Besitz zu bekommen.«
Wachsbleich und zitternd klammerte sich Anna an den Arm ihrer Mutter. »Er war nicht tot!«, rief sie laut, ungeachtet der nachtschlafenden Zeit. »Als ich Duncan verließ, wurde er zwar verletzt, aber nicht getötet! Mein Gott, man hat ihn hingerichtet und Lady Flamina und die ganze Familie aus Glenmalloch fortgejagt!« Schluchzend schlug Anna die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen.
»Ich hole dir eine Tasse heiße Milch mit Honig«, sagte ihre Mutter und stand auf. »Das beruhigt die Nerven, aber morgen solltest du unbedingt Doktor Maxwell aufsuchen.«
Wie gelähmt saß Anna auf der Bettkante und starrte in die Dunkelheit, bis ihre Mutter die Milch brachte. Folgsam trank sie den Becher leer, aber sie verspürte nicht den Hauch von Müdigkeit, im Gegenteil! Seit sie zurückgekehrt war, hatte sich Anna nicht so voller Elan gefüllt. Unter den überraschenden Blick ihrer Mutter begann sie ihre Tasche zu packen, gleichgültig, dass es drei Uhr in der Nacht war.
»Was tust du da?«, fragte Mrs. Wheeler.
»Ich weiß nun, was ich zu tun habe. Was ich tun
muss
.« Ernst nahm Anna ihre Mutter in den Arm und küsste sie auf die Stirn. »Verzeih mir, Mama, aber ich muss Duncan und seine Familie retten. Und dieses Mal werde ich nicht versagen!«
»Heirate mich, Anna«, sagte Bruce Hardman. »Lass uns eine Familie gründen, Kinder haben und ein Haus vor den Toren Londons kaufen. Wie wäre es in Kent oder Surrey?«
Anna sah den Ernst in seinen Augen. Wehmütig lächelte sie und sagte: »Noch vor weniger als einem Jahr wäre ich über deinen Antrag mehr als glücklich gewesen.«
Bruce nahm ihre Hand. »Was hat sich verändert? Ich liebe dich, Anna. Ja, ich liebe dich von ganzem Herzen.« Dieses Mal meinte es Bruce wirklich ernst. In den Monaten von Annas Verschwinden war ihm bewusst geworden, wie sehr sie zu seinem Leben gehörte und dass er nie wieder ohne sie sein wollte. Es war Bruce so ergangen wie vielen Menschen: Erst, wenn man jemanden verlor, weiß man, was man an ihm gehabt hat. »Die Sache mit Lilian tut mir Leid«, fuhr Bruce fort. »Ich kann es nicht ungeschehen machen, sondern dir nur tausend Mal versichern, dass es eine unbedeutende Affäre war, die ich bitter bereue. Bitte, Anna, verzeih mir!«
»Ach Bruce, ich trage dir längst nichts mehr nach. Der Gedanke an dich und Lilian schmerzt nicht einmal mehr, obwohl ich damals dachte, mein Herz würde brechen. Es ist traurig, aber wahr: Ich liebe dich nicht mehr, darum tut es nicht mehr weh.«
»Warum, Anna? Was hat sich verändert, dass deine Liebe erloschen ist?«
»
Ich
habe mich verändert, Bruce«, sagte Anna leise. »Darum sollten wir uns als Freunde trennen und unsere gemeinsame Zeit in guter Erinnerung behalten.«
So leicht wollte sich Bruce nicht geschlagen geben, zumal Anna ihm mitgeteilt hatte, sie würde noch am selben Tag London verlassen. Er deutete auf den Vertrag,
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