Die Treue Des Highlanders
Jefferson ihren Wagen über die schmale Straße in die Berge hinauf. Seit sie aufgebrochen waren, hatte Anna kein Wort gesprochen. Sie saß auf dem Beifahrersitz und starrte angespannt auf die vorbeirauschende Landschaft. Anna sah in ihrem altmodischen Kleid und dem Kopftuch zwar seltsam, aber immer noch sehr hübsch aus. Auf ihrem Schoß hielt sie den Rucksack fest umklammert, ab und zu flatterten ihre Augenlider nervös.
Auch Ruth war voller Unruhe. Nachdem Anna sie gebeten hatte, sie zu dem geheimnisvollen See zu fahren, hatte Ruth alle Hebel in Bewegung gesetzt, das Abenteuer nicht böse enden zu lassen. Kommissar McLairn war informiert, ebenso Taucher, die sich im Gebüsch rund um den See verstecken und bei einem eventuellen Versinken Annas eingreifen würden. Natürlich hatte Ruth all ihre Überzeugungskraft eingesetzt, um Anna die Idee, in den kalten See zu springen, auszureden, aber die junge Frau war fest entschlossen. Ruth wusste, was das für Anna bedeutete: Man würde sie als potenzielle Selbstmörderin in die geschlossene Psychiatrie bringen und sie mit Medikamenten ruhig stellen. Es schmerzte Ruth, damit Annas Vertrauen zu missbrauchen, aber sie konnte Anna auch nicht einfach in ihren Tod laufen lassen.
Als der See in Sicht kam, sah sich Ruth unauffällig um. Der Kommissar und die Taucher mussten vor ihnen angekommen sein, es war weit und breit keine Spur von ihnen zu sehen.
Anna stieg aus und sah die Hügel hinauf, die weiter oben mit Felsbrocken bedeckt waren. »Wissen Sie, ob es hier irgendwo eine kleine Höhle gibt?«, fragte sie.
»Eine Höhle?«, wiederholte Ruth erstaunt. »Nein, davon ist mir nichts bekannt, ich war vorher noch nicht in dieser Gegend.«
»Dann lassen Sie uns bitte nachsehen.«
Entschlossen schlug Anna einen Trampelpfad ein, der in die Berge führte. Ruth hatte Mühe, ihrem schnellen Schritt zu folgen.
»Was wollen Sie dort oben?«, rief sie und dachte: Armes Mädchen, deine Psyche ist in der Tat gestört.
Nach ungefähr einer halben Stunde verließ Anna den Pfad und ging quer über den torfigen Boden auf eine Felsenformation zu. Dort angekommen umrundete sie die Felsen mehrmals, dann stieß sie einen Triumphschrei aus. »Hier, schauen Sie, Ruth! Das ist genau das, was ich suchte!« Anna bog einen Ginsterbusch zur Seite, dahinter kam eine kleine Höhle zum Vorschein, kaum größer als eine Hundehütte. »Ich nehme an, dass diese Felsen und die kleine Höhle auch schon vor vierhundert Jahren an Ort und Stelle waren und dass sich seitdem niemand mehr hier daran zu schaffen gemacht hat.«
»Was haben Sie vor?«, flüsterte Ruth.
Anna lächelte und kroch auf allen Vieren in den schmalen Spalt. Ihre Stimme klang dumpf, als sie sagte: »Wenn es mir gelingen sollte, in die richtige Zeit zu gelangen und Duncan zu retten, dann werde ich hier einen Brief für Sie hinterlassen, aus dem Sie erfahren werden, wie es uns ergangen ist.«
Ruth begann zu verstehen. »Darum haben Sie diese Folie gekauft?«
Anna kam wieder aus dem Loch heraus und nickte. »Drinnen gibt es einen Haufen Steine. Wenn diese auch in der Vergangenheit dort gelegen haben, wovon ich ausgehe, dann werde ich den Brief unter diese Steine legen. Ich hoffe, dass sich niemand daran zu schaffen macht.«
Nun kroch auch Ruth in die Höhle und erkannte die erwähnten Steine. Sie verstand, was Anna vorhatte. »Es ist unmöglich, zu beurteilen, seit wann es diese Höhle gibt«, gab Ruth zu bedenken, als sie wieder im Sonnenlicht stand. »Vielleicht ist sie auch nicht natürlich, sondern künstlich entstanden?«
»Das Risiko müssen wir eingehen.« Anna sah Ruth ernst an. »Versprechen Sie mir, dass Sie nach meinem Verschwinden im See die Höhle aufsuchen werden? Wenn alles funktioniert und die Folie so gut ist, wie der Verkäufer versprach, dann müssten Sie hier meinen Brief finden. Versprechen Sie es?«
Ruth nahm Annas Hand und drückte sie. »Ich verspreche es Ihnen, Anna.«
Selten hatte sich Ruth so schlecht gefühlt wie in diesem Moment. Sie wusste, es würde nicht dazu kommen, dass sie wieder hinaufstieg und nach der Höhle schaute. Anna würde diesen Brief nämlich nie schreiben.
»Ich danke Ihnen«, sagte Anna mit einem schiefen Lächeln. »Aber es wird für mich Zeit ,zu gehen, sonst verlässt mich am Ende noch der Mut.«
»Dann lassen Sie Ihren Plan einfach fallen«, versuchte Ruth einen weiteren Versuch. »Wir fahren nach Inverness zurück, gehen lecker essen, und Sie erzählen mir mehr von Ihrem Duncan.«
Anna schüttelte
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