Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Gedanken hören kann.«
Am Horizont zeichnete sich leuchtend die Skyline der Innenstadt ab, und während der Klang der Trommeln langsam leiser wurde, liefen sie durch die verlassenen Straßen, Trinity seinen Gedanken lauschend, während Daniel ihren Schritten lauschte und die Augen offen hielt, ob zwischen den Ruinen Ärger lauerte.
Als sie an eine Kreuzung kamen, wollte Trinity rechts abbiegen, aber Daniel hielt ihn an.
»Nicht da lang, da sind keine Straßenlaternen.« Also bogen sie links ab.
Ein paar Blocks weiter blieb Trinity stehen: »Weißt du noch, wo wir geparkt haben?«, fragte er.
»Ich glaube schon.« Daniel deutete zum nächsten Häuserblock.
»Gehen wir zum Wagen.«
Unterwegs teilte ihm Trinity seine Gedanken mit: »Ich bin nicht böse auf dich … Ich glaube sogar, dass heute Nacht alles so gelaufen ist, wie es sollte. Überleg doch mal: Wie wir reagieren, hängt ganz von unserem Charakter ab. Gott kennt dich genau und hat dich in die Sache einbezogen, weil er wusste, wie du reagieren würdest. Ich bin gar nicht hier, um mit Shango zu kommunizieren, sondern ich sollte diese Nacht genauso erleben, wie sie war.« Er ließ seine Hand über die Szenerie der Zerstörung um sie herum schweifen. »Ich sollte das hier alles zu Gesicht bekommen.« Selbst in dem schwachen Licht konnte Daniel Trinitys Lächeln ausmachen. »Nichts, was heute Nacht geschehen ist, war Zufall. Und ich verstehe langsam, was das alles zu bedeuten hat.« Er blieb an der Kreuzung stehen und sah sich um. »Mann, ich wünschte, es gäbe hier Straßenschilder. Wo lang?«
Der Morgen dämmerte, und in dem fahlblauen Licht sah alles anders aus. »Also ich glaube … nein, Moment.« Daniel suchte nach Anhaltspunkten, aber vergeblich. »Verdammt, ich weiß es nicht mehr.«
Trinity holte einen Vierteldollar aus der Hosentasche. »Kopf rechts, Zahl links.« Er warf die Münze, fing sie auf und klatschte sie auf seinen Handrücken. »Zahl.« Er wandte sich nach links und lief weiter. Irgendwo in der Ferne klagte ein Nebelhorn.
Nach hundert Metern blieb Trinity abrupt stehen und die Kinnlade fiel ihm herunter.
Daniel griff nach seiner Waffe. »Was ist?«
»Mein Gott … schau dir das mal an!« Trinity rannte auf die Ruine eines eingeschossigen Gewerbebaus zu. Der Betonziegelbauan sich stand noch, aber die Glastüren und alle Fenster waren verschwunden und das Schild war zerschmettert. »Siehst du?«, sagte er. »Das ist der Beweis.«
Daniels Blick folgte Trinitys Finger zu dem zertrümmerten Schild über dem Eingang.
ERNÄHRU____ZENTR_M T__ TRIN__YS WORTGOTTESKI____
Das Schild kam ihm bekannt vor. Natürlich, er hatte es auf einem Foto auf Trinitys Website gesehen. Dies war die alte Suppenküche seines Onkels.
Nichts, was heute Nacht geschehen ist, war Zufall …
Trinity setzte sich auf die Bordsteinkante. »Jetzt sehe ich klar.«
Daniel setzte sich neben ihn. »Dann erzähl.«
»In Ordnung … Mein ganzes Leben lang war ich ein Gauner. Religion war für mich nur ein Schwindel und ich glaubte nicht an Gott. Aber ich habe in Afrika Schulen und Trinkwasserbrunnen bauen lassen und in Haiti ein medizinisches Versorgungszentrum, und ich habe die größte Suppenküche in Louisiana gegründet. Natürlich habe ich das nur getan, um mir das Finanzamt vom Hals zu halten, aber das spielt keine Rolle, ebenso wenig wie meine Ungläubigkeit. Wichtig war, dass ich Gutes tat, egal aus welchem Grund. Aber nach Katrina habe ich die Leute, die mich reich gemacht haben, im Stich gelassen. Als diese Stadt einen Wohltäter bitter nötig hatte, da bin ich nach Atlanta abgehauen und habe die Geldmaschine von Neuem angekurbelt. Und da fing ich an, Stimmen zu hören und in Zungen zu reden.« Trinity sah zu dem Schild auf. »Erinnerst du dich noch an meine letzte Predigt, bevor die Bombe hochging? Ich dachte, Gott lässt mich da oben auf der Bühne wie einen Trottel aussehen, der nichts zu sagen hat, aber ich habe mich geirrt. Er hat alles gesagt. Das war das einzige Mal, dass er ganz klar durch mich gesprochen hat. Nicht rückwärts, einfach gerade heraus. Und er hat gesagt: ›Glaube ohne Werke ist tot.‹«
»Aber du gehst noch weiter. Du sagst, Glaube sei irrelevant.«
»Natürlich ist der Glaube irrelevant. Gott hat einen katholischen Geistlichen, eine Voodoo-Priesterin und einen Ungläubigen zusammengebracht. Ich glaube, ihm ist völlig egal, was wir glauben – oder ob wir überhaupt glauben –, solange wir nach seinem Wort leben. In
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