Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Hähne, Kreuze und Särge und ein großes Porträt von Marie Laveau, der Voodoo-Queen des neunzehnten Jahrhunderts. Circa ein Dutzend Petroleumfackeln und doppelt so viele flackernde rotweiße Kerzen waren über den Hof verteilt.
In der Mitte stand ein gestreifter Pfahl, um den herum ein Altar aufgebaut war, gegen den der in Angelicas Laden geradezu armselig wirkte: eine imposante Anhäufung von Fetischen und Opfergaben, Flaschen mit Rum und Stechwindenextrakt, Parfumflakons und Schüsseln und Teller, die überquollen vor Jamswurzeln und Kochbananen, Äpfeln und Paprikaschoten, Nüssen, Feigen und Bonbons. Zwei gerahmte Heiligenbilder – von Petrus und Barbara – lehnten hinter den Opfergaben am Altar.
Angelica brachte zwei Becher für Daniel und Trinity. »Legba und Shango lieben beide den Rum. Wir trinken zu ihren Ehren.«
Trinity zwinkerte ihr zu, sagte »L’Chaim« und trank seinen Becher in einem Zug leer.
»Oj wej«, sagte Daniel trocken.
Angelica lachte vergnügt, nahm dann Daniels Hand und wurde ernst. »Sie sind skeptisch und ich respektiere das«, sagte sie. »Ich verlange gar nicht, dass Sie irgendetwas glauben. Ich möchte nur, dass Sie sich von allen Vorurteilen befreien und Ihre Gefühle nicht unterdrücken. Sie glauben vielleicht nicht an die Loa, aber bitte zeigen Sie Respekt.« Sie lächelte und drückte seineHand. »Sie können ziemlich böse werden, wenn sie sich verhöhnt fühlen.«
Daniel lief ein gespenstischer Schauer über den Rücken. »Ich werde mich benehmen, versprochen.« Darauf trank er seinen Rum.
»Danke«, sagte sie. »Dies ist eine Rada-Zusammenkunft, das heißt, die Unsichtbaren, die wir heute Nacht herbeirufen, sind gutmütig und nicht aggressiv. Sie ergreifen nur Besitz von einem, wenn man es ihnen erlaubt. Also geben Sie ihnen auf keinen Fall die Erlaubnis, es sei denn, Sie sind bereit, sich von einem Loa reiten zu lassen. Bleiben Sie einfach hier stehen und entspannen Sie sich. Und falls Sie den Drang verspüren, mit uns zu singen und zu tanzen, tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Twist müsste ich noch mal üben«, sagte Trinity, »aber beim Watusi bin ich einsame Spitze.«
»Er ist nur nervös«, sagte Daniel.
»Ich weiß«, sagte die Priesterin. Sie drehte sich zur Hintertür des Hauses um und rief: »
Tambours!
«
Die Fliegengittertür ging auf und drei Männer, ein weißer und zwei schwarze, kamen heraus. Alle drei hatten einen nackten Oberkörper, trugen weiße Hosen und waren barfuß. Jeder von ihnen trug eine afrikanische Trommel. Sie stellten die Trommeln an der Ostseite des Hofs auf und setzten sich dahinter auf Hocker.
Dann begannen sie, mit den Händen einen fesselnden Rhythmus zu trommeln. Die Tür ging erneut auf und ein älterer Schwarzer mit einem Weidenkorb kam heraus, gefolgt von fünf schwarzen und zwei weißen Frauen, alle wie Angelica gekleidet, die jüngste vielleicht fünfundzwanzig, die älteste über sechzig. Drei der Frauen trugen bunte, mit Pailletten bestickte Banner bei sich.
Das Trommeln wurde immer lauter und der Rhythmus komplizierter. Der alte Mann stellte den Korb ab, nahm das Gehäuse einer Tritonschnecke vom Altar, führte es zu den Lippen und blies einen lang anhaltenden Ton.
Dann rief Angelica: »
Annonce, annonce, annonce!
«, und die Gruppe skandierte den gleichen Spruch zurück. Angelica sprenkelte in einer dünnen Spur Florida-Water-Parfum von der Hintertürzum Pfahl in der Mitte, dann von einer Seite zur anderen und schuf so eine Kreuzung. Angelica und der alte Mann stellten sich gegenüber auf und tanzten drei Pirouetten, dann schüttelten sie sich mit gekreuzten Armen beide Hände. Die anderen Frauen taten es ihnen nach und wiegten sich dann im Rhythmus der Trommeln, während der alte Mann zwei Handvoll Maismehl vom Altar nahm, um damit ein Veve, ein Loa-Symbol, auf den Boden zu zeichnen. Dann beugte er sich hinunter und küsste das Veve dreimal.
Die Gruppe sang:
»Damballah Wedo, Damballah Wedo, Damballah Wedo …
«, und Angelica griff in den Korb, holte eine junge, gut einen Meter lange Boa constrictor heraus, hielt sie über ihren Kopf und tanzte rückwärts um den Pfahl. Bei jedem Teilnehmer machte sie Halt, damit der die Schlange berühren konnte. Die Priesterin sang: »
Damballah Wedo … nous sommes les sevites … Ti Ginen.
« Sachte legte sie die Schlange wieder in den Korb, schloss den Deckel und tanzte mit einer perlenbesetzten Kalebasse in der Hand, während das Trommeln immer intensiver wurde und
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