Die Trinity-Anomalie (German Edition)
zu einem hypnotischen Mischrhythmus anwuchs.
Angelica skandierte:
Odu Legba, Papa Legba,
Öffne die Tür, deine Kinder warten.
Papa Legba, öffne die Tür,
Deine Kinder warten.
Ago! Legba! Ago-e!
Und die Gemeinde antwortete:
Ayibobo!
Der alte Mann zündete eine Maiskolbenpfeife an und malte mit dem Rauch das Zeichen des Kreuzwegs in die Luft. Dann nahm er die Platten mit den Opferspeisen, schwenkte sie durch den Rauch und beschwor Papa Legba, von den anwesenden Gläubigen Besitz zu ergreifen: »
Legba, qui garde la porte. Mystère des carrefours, sourcede communication entre le visible et l’invisible. Acceptez nos offrandes. Entrez dans nos bras, dans nos jambes, dans nos cœurs. Entrez ici.
«
Angelica nahm einen Schluck Rum direkt aus der Flasche und sprühte ihn mit dem Mund auf Legbas Maismehl-Symbol. Dann wirbelte sie im Kreis um den Pfahl herum, wobei sie über jedem der Eingeweihten den Flaschenkürbis schüttelte. Die anderen schlossen sich ihr an und wirbelten ebenfalls im Kreis herum, wobei sie absichtlich das Maismehl-Veve mit den Füßen zerstoben. Angelica nahm eine Handvoll von dem rumgetränkten Maismehl und strich davon jedem etwas auf die Stirn, bis auf den alten Mann, den sie stattdessen im Nacken berührte.
Der Alte schloss die Augen und stand ein paar Sekunden lang stocksteif da, begann dann krampfartig zu zucken, warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. Er griff sich eine Flasche vom Altar, nahm einen kräftigen Schluck und kippte sich dann den Rest des Rums über den Kopf, ins Gesicht und sogar in die offenen Augen, was ihm überhaupt nichts auszumachen schien. Daraufhin nahm er einen geschnitzten Spazierstock und die glimmende Pfeife und tanzte um den Pfahl, wobei er den Spazierstock herumwirbelte und heftig an der Pfeife zog, von der nach Kirschen duftende Rauchwolken aufstiegen. Das Trommeln wurde immer schneller und der Alte tanzte immer hektischer, während die Eingeweihten mit ihren Gesängen Papa Legba lobpreisten.
Angelica nahm Daniel und Trinity ihre Trinkbecher ab. »Papa Legba hat die Wegkreuzung für uns geöffnet«, erklärte sie. »Wir trinken noch einmal, um ihn zu ehren, und dann zeichne ich Shangos Veve auf den Boden und fordere ihn auf, von meinem Körper Besitz zu ergreifen. Sie müssen nicht erschrecken, falls er Sie direkt anspricht. Entweder spricht er durch meinen Mund oder Sie hören seine Stimme in Ihrem Kopf, also lauschen Sie.«
Aber irgendetwas an der Art, wie sie es sagte, machte Daniel stutzig. Er war im Laufe der Jahre schon vielen religiösen Scharlatanen begegnet – und war bei einem der besten aufgewachsen –, und nur eine Minute zuvor hatte die Priesterin noch vollkommen ehrlich gewirkt. Aber dieser Spruch, dass Shango vielleicht direktmit Trinity sprechen würde … das hörte sich für ihn nach Augenwischerei an.
Als die Priesterin ihre leeren Becher zum Altar brachte, sah er verstohlen seinen Onkel an. Trinity bewegte sich im Trommelrhythmus und hatte ein heiteres Lächeln im Gesicht, so als wäre alles in Ordnung in der Welt.
Außerdem gefiel Daniel nicht, wie Angelica am Altar ihre Becher auffüllte. Sie kehrte ihnen den Rücken zu … so, als versperrte sie ihnen absichtlich die Sicht.
Daniel machte einen Schritt nach links, um besser sehen zu können.
Sie hielt die Rumflasche in der rechten Hand … und die linke hielt sie über Trinitys Becher. Irgendetwas war in ihrer Hand verborgen.
Eine Pipette.
Daniels war entsetzt. Hatte er das wirklich gesehen? Versetzte sie Trinitys Rum tatsächlich mit irgendeiner Droge?
Verdammt!
Es war eindeutig.
Die Priesterin kam zurück und reichte ihnen die Becher. Dann hob sie ihren eigenen. »Auf Legba!« Sie trank.
Trinity hatte seinen Becher halb zum Mund geführt, da schlug Daniel ihn ihm aus der Hand.
73
Im Hinterhof klangen noch die Trommeln, als Daniel durch das Tor zum Wagen stürmte und die Schlüssel aus der Tasche holte.
»Ich weiß gar nicht, worüber du dich so aufregst«, sagte Trinity, der ihm folgte. »Das war doch kein Gift und sie hat’s auch in ihren eigenen Becher getan.«
Daniel blieb mitten im Vorgarten abrupt stehen und wirbelte herum. »Du hast es gewusst?«
»He, hast du vergessen, mit wem du’s zu tun hast, Sohn? Ich kenne mich mit so was aus.« Trinity lächelte. »Im Fernsehen spiele ich vielleicht den Bauerntölpel, aber mir macht niemand so leicht was vor.«
»Und du wolltest das Zeug trinken?«
»Warum nicht?«
»Weil das Ganze Betrug ist,
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