Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Trinity hat Geld wie Heu. Er könnte den Lasterfahrer bezahlt haben, um zu einer bestimmten Zeit die Werbetafel umzufahren.«
»Unmöglich. Sie waren nicht da. Sie haben nicht gesehen, wie es passiert ist.«
»Und praktischerweise gibt es auch keine Videoaufzeichnung davon.«
»Der Kamera-Chip ist kaputtgegangen. Das war ja die
Ursache
des Unfalls.«
»Oder es ist so inszeniert worden. Haben Sie die Kamera untersucht?«
Daniel schüttelte den Kopf.
»Woher wissen Sie dann, dass Trinity den Kameramann nicht geschmiert hat?«
»Hören Sie auf«, sagte Daniel ein bisschen zu laut. Er fing an hin und her zulaufen, um sich zu beruhigen und nicht zu schreien. »Geben Sie mir doch eine Chance. Glauben Sie mir, wenn Sie da gewesen wären … Sie können die anderen Zeugen fragen, den Polizisten …«
»Oder Ihre Freundin.«
»Gottverdammt!« Daniel bebte vor Wut am ganzen Körper. »Ja, sie hat es auch gesehen. Reden Sie mit ihr, wenn Sie wollen. Und da Sie das ganz besonders zu interessieren scheint: Nein, ich ficke sie nicht, okay?«
Nick wandte sich dem Ordner auf dem Schreibtisch zu. »Sie hätten heute Abend nicht herkommen sollen, Daniel. Ich bin nicht gewillt, mit Ihnen über diese Sache zu reden, solange Sie so aufgewühlt sind.«
»Aber Sie hören mir ja gar nicht zu.«
»Nein, Sie haben nicht zugehört. Unser Gespräch ist beendet.« Nick unterzeichnete das obere Blatt in dem Ordner und reichte Daniel das Formular, ohne aufzusehen. »Hier sind Ihre Anweisungen. Sie werden von dem Fall abgezogen. Sie werden offiziell beurlaubt … zur spirituellen Erneuerung. Sie gehen jetzt nach Hause und schlafen erst einmal. Morgen früh fliegen Sie nach Florenz und von dort aus werden Sie nach Poppi gebracht, wo Sie bei Meditation und Gebet zur Ruhe finden können.« Nick sah Daniel streng an. »Sie müssen erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen, und zu gegebener Zeit hole ich Sie zurück in den aktiven Dienst.«
Es wurde langsam brenzlig für Daniel. Das Refugium direkt außerhalb von Poppi diente als Abladeplatz für gebrochene Männer: zittrige Whiskey-Priester, geistlich ausgebrannte Spielsüchtige, nach Messdienern süchtige Pädophile … Wenn man einmal da war, kam man erst wieder raus, wenn der Vatikan entschied, dass man wieder diensttauglich war. Manche Männer lebten jahrzehntelang dort. Andere legten ihr Priesteramt nieder, um rauszukommen.
Nick hatte Daniel schon einmal nach Poppi geschickt, vier Jahre zuvor, nachdem er mit Blut an den Händen aus Honduras zurückgekehrt war. Er hatte eine fast fünfmonatige Therapie über sich ergehen lassen müssen, bevor man ihn bereit fand, die Klausur zu verlassen.
»Bitte, Nick, tun Sie mir das nicht an.«
»Tut mir leid, Junge. Sie werden die Sache aussitzen müssen. Ich kann das Risiko einfach nicht eingehen. Ich hätte Ihnen denFall besser gar nicht erst gegeben, aber ich dachte, Sie wären stark genug dafür. Ich habe mich wohl geirrt.«
»Das hier ist nicht wie Honduras, das schwöre ich Ihnen.« Er hielt Nick das Formular hin, aber der Ältere ignorierte ihn.
»Nein, das hier ist schlimmer. Damals habe ich mir Sorgen um Ihren Geisteszustand gemacht. Diesmal muss ich an Ihrer Loyalität zweifeln.«
34
Grelles Morgenlicht strömte durch die Ostfenster, während Daniel zwischen Kommode und Bett hin- und herlief und einen großen Koffer mit Socken, Boxershorts und T-Shirts, Toilettenartikeln und Kriminalromanen füllte.
Tut mir leid, Junge. Sie werden die Sache aussitzen müssen. Ich kann das Risiko einfach nicht eingehen.
Aber Nick sorgte nicht nur dafür, dass Daniel die Sache »aussitzen« würde. In dem Haus in Poppi gab es weder Fernsehen noch Radio oder Zeitungen. Keinerlei Kontakt mit der Außenwelt. Wie auch immer die Sache mit seinem Onkel endete, Nick wollte, dass Daniel gar nichts davon mitbekam.
War
das
Gottes Wille?
Was hier gerade geschieht, betrifft deinen Onkel. Das kann kein Zufall sein. Das würde Gott nicht zulassen. Er will ganz sicher nicht, dass du die Sache aussitzt.
Interessierte sich Nick überhaupt für den Willen Gottes? Oder wollte er bloß »die eine, die wahre Kirche« vor einem protestantischen Schwindler schützen, der zwar in Zungen redete, aber den Trumpf in der Hand hielt?
Oder hatte Trinity ihm solche Gedanken in den Kopf gepflanzt?
Er klappte den Koffer zu und ließ sich aufs Bett fallen. Sein Blick fiel auf das gerahmte Foto auf der Kommode, und er nahm es in die Hand. Der achtzehnjährige Daniel
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