Die Trinity Verschwörung
Ärztin, kaum älter als die meisten seiner Studenten, ihn entgegenkommend anlächelte und fragte, ob sie » in irgendeiner Weise« behilflich sein könne. Offensichtlich hielt sie ihn für einen verirrten Besucher.
» Ich bin auf der Suche nach einem der Krankenpfleger. Calvin.« Er baute darauf, dass die Nennung von Somers’ Vornamen die Frau zugänglicher machte. » Ist er im Haus?«
Die Ärztin trug das Stethoskop um den Hals wie ein Nebendarsteller in einer TV -Serie. Sie musterte sehr gründlich seine Schuhe. Gaddis, der seiner Aufmachung nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit schenkte, fragte sich, weshalb viele Menschen meinten, von der Fußbekleidung Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ihres Trägers ziehen zu können. An diesem Tag trug er ein Paar ausgetretene Halbstiefel. War das in den Augen einer gut aussehenden fünfundzwanzigjährigen Ärztin ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
» Calvin? Ja, sicher«, sagte sie, und plötzlich öffnete sich ihr Gesicht. Als hätte er einen nicht näher definierten Test bestanden. » Ich habe ihn heute Morgen schon gesehen. Er hat ein Büro im zweiten Stock, gleich hinter der Pathologie. Wissen Sie, wo das ist?«
» Ich bin zum ersten Mal hier«, antwortete Gaddis. Er war kein begabter Lügner und sah auch keinen Sinn darin, sie zu täuschen. Gründlich erklärte die Ärztin ihm den Weg und hatte die Hand dabei ständig am Stethoskop. Zwei Minuten später stand Gaddis vor der Tür zu Somers’ Büro, klopfte auf abblätternden Lack.
» Herein.«
Eine näselnde, leicht abgeschnürt klingende Stimme. Gaddis ordnete ihr ein Alter und eine Erscheinung zu, noch ehe er den Türgriff drehte. Und tatsächlich war Calvin Somers etwa Mitte vierzig, von schwächlicher Statur, mit den eigensinnigen, defensiven Zügen eines Mannes, der den Großteil seines Lebens damit verbracht hatte, sich gegen eine zersetzende innere Unsicherheit zu behaupten. Er trug eine blass-grüne Pflegeruniform, das schütter werdende schwarze Haar hatte er nach hinten gegelt. Sam Gaddis hatte ein gutes Gespür für Menschen – und Calvin Somers konnte er auf den ersten Blick nicht ausstehen.
» Mr. Somers?«
» Wer will das wissen?«
Die klugscheißerische Antwort aus einer drittklassigen amerikanischen Cop-Serie. Um ein Haar hätte Gaddis laut aufgelacht.
» Ich war ein Freund von Charlotte Berg«, sagte er. » Mein Name ist Sam Gaddis. Ich bin Dozent. Und ich wollte Sie fragen, ob Sie Zeit für ein paar Fragen haben.«
Inzwischen hatte er die Tür hinter sich zugezogen, worüber Somers erleichtert zu sein schien. Charlottes Name hatte ihn sichtlich überrascht. Vielleicht schämte er sich für etwas. Oder die beiden hatten einen geheimen Deal; jedenfalls wollte er lieber nichts davon nach außen dringen lassen.
» War?« Somers war der Gebrauch der Vergangenheitsform nicht entgangen. Er richtete sich in seinem Stuhl auf, ohne sich daraus zu erheben, als er Gaddis die Hand gab, als hätte eine solche Geste seine eigene Autorität unterminieren können. Gaddis fiel auf, dass er mit der rechten Hand einen Kugelschreiber unablässig auf der Schreibtischplatte kreiseln ließ.
» Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten«, sagte er.
» Und die wären?«
Der Mann spielte ihm Selbstsicherheit, beinahe einen gewissen Hochmut vor. Gaddis betrachtete Somers’ Gesicht genau.
» Charlotte hatte einen Herzinfarkt. Vorige Woche, aus heiterem Himmel. Sie könnten einer der Letzten gewesen sein, die sie lebend gesehen haben.«
» Wie bitte?«
Seine Reaktion drückte weniger Erschütterung als Wut aus. Somers sah Gaddis an, wie man einen Vorgesetzten ansieht, der einen gerade entlassen hat.
» Sie ist tot.« Gaddis fühlte sich verpflichtet, es zu wiederholen, so sehr ihn die herzlose Reaktion auch ärgerte. » Und sie war eine sehr gute Freundin von mir.«
Somers erhob sich, zwängte sich in seinem engen Büro an Gaddis vorbei, um sich davon zu überzeugen, dass die Tür ordentlich geschlossen war. Der Mann hatte etwas zu verbergen. Eine befremdliche Duftmischung aus billigem Aftershave und Desinfektionsmitteln haftete an ihm.
» Und Sie sind gekommen, um mir die drei Riesen zu zahlen, oder?«
Das war eine völlig unerwartete Bemerkung. Warum hätte Charlotte diesem Arschloch dreitausend Pfund schuldig sein sollen? Gaddis runzelte die Stirn. » Wie bitte?«, sagte er und trat vor Erstaunen einen kleinen Schritt zurück.
» Ob Sie mir die drei Riesen bringen, will ich wissen.« Somers
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