Die Trinity Verschwörung
Mount Vernon Hospital.«
Gaddis antwortete: » Hallo?«, weil er sie nicht genau verstanden hatte und sie dazu bringen wollte, es zu wiederholen.
» Ja«, sagte sie, und jetzt klang es ungeduldig. » Mount Vernon Hospital.«
Er notierte den Namen. » Bitte? Ja. Ich bin auf der Suche nach einem Ihrer Patienten. Thomas Neame. Ist er vielleicht zu sprechen?«
Die Leitung starb. Gaddis vermutete, dass er mit einer anderen Abteilung des Krankenhauses verbunden wurde. Was sollte er sagen, wenn Neame sich meldete? Er hatte sich nichts überlegt. Er konnte sich nicht einmal darauf verlassen, dass der alte Mann bereits wusste, was Charlotte zugestoßen war. Er würde ihm von dem Herzinfarkt erzählen und eine Erklärung für sein Interesse an Edward Crane liefern müssen.
» Sir?« Es war wieder die Frau vom Empfang. Der Tonfall eine Spur weniger feindselig. » Wir haben keinen Patienten dieses Namens bei uns.«
Es erschien ihm wenig aussichtsreich, mit ihr über die exakte Schreibweise des Namens » Neame« zu diskutieren. Und nach Somers konnte er auch nicht mehr fragen. Damit hätte er ihr Misstrauen geweckt. Gaddis dankte der Frau, legte auf und rief Paul in der Arbeit an.
» Habt ihr einen Freund oder Verwandten, der im Mount Vernon Hospital in Rickmansworth arbeitet?«
» Wie bitte?«
» Rickmansworth. Chorleywood. Vororte in Hertfordshire.«
» Da bin ich mein Lebtag noch nicht gewesen.«
» Und Charlotte? Könnte dort jemand wohnen, den sie besucht hat?«
» Nicht, dass ich wüsste.«
Offensichtlich war Somers der Schlüssel. Aber war er Patient, oder gehörte er zum Personal? Vom Telefon im Haus wählte Gaddis noch einmal die Nummer des Mount Vernon und bekam eine andere Frau am Empfang an den Apparat.
» Ich hätte gern Dr. Somers gesprochen.«
» Doktor Somers?«
Falsche Entscheidung. Somers war Patient, Pförtner oder Krankenpfleger.
» Wie bitte?«
» Sie meinen Calvin?«
Der Vorname war ein Glücksfall. » Ja.«
» Calvin ist aber kein Doktor.«
» Natürlich nicht. Entschuldigung. Ich war nicht bei der Sa–«
» Er ist Oberkrankenpfleger am Michael Sobel.« Gaddis kritzelte den Namen hin. Michael Sobel. » Seine nächste Schicht beginnt morgen früh. Wollen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?«
» Nein, keine Nachricht.«
Gaddis legte den Hörer auf. Er öffnete Google auf Charlottes Computer. Michael Sobel war der Name eines neu eröffneten Krebszentrums am Mount Vernon Hospital. Er würde morgen früh hinfahren. Wenn er Somers in der Schicht antraf, erfuhr er vielleicht, warum Charlotte ihn in den Tagen vor ihrem Tod mehrmals zum Essen ausgeführt hatte, eine Information, die ihn Edward Crane zumindest einen Schritt näher bringen würde.
8
Es war nur eine halbe Autostunde von Gaddis’ Haus im Westen Londons bis zum Mount Vernon Hospital, aber er nahm die Metropolitan Line, um – hauptsächlich aus sentimentalen Gründen – die Strecke nachzufahren, die Charlotte in der letzten Woche ihres Lebens von der Finchley Road nach Rickmansworth zurückgelegt hatte.
Die Strecke führte durch die Vororte seiner Kindheit, Nachkriegshäuser aus rotem Backstein mit Gärten, deren Ausmaße bestenfalls für eine Partie Swingball oder French Cricket ausreichten. Gaddis erinnerte sich an einen heißen Sommernachmittag, als sein schlägerschwingender Vater einen Tennisball beinahe in eine Erdumlaufbahn geschmettert hätte, ein zur Sonne aufsteigender gelber Punkt. Der Zug fuhr durch Harrow, Pinner, Northwood Hills, die charakterlosen, nach Sonnenlicht lechzenden Straßen und Parks Outer Londons. Das Krankenhaus selber, alles andere als der strahlend helle Bau des neuen Jahrtausends, den Gaddis sich vorgestellt hatte, war in einer beinahe unheimlichen, neugotischen Villa mit Giebeldach und weitem Blick über die Landschaft von Hertfordshire untergebracht. Ein Haus, wie es sich ein Kriegsversehrter des Zweiten Weltkriegs ausgesucht haben könnte, um wieder zu Kräften zu kommen; es stellten sich Bilder von Schwestern in gestärkten Trachten ein, die Männer in Rollstühlen hin- und herschoben, von Veteranen und ihren Besuchern, über die weiten Rasenflächen verteilt wie Gäste bei einer Gartenparty.
Gaddis hatte vom Bahnhof Rickmansworth ein Taxi genommen und stieg vor der Hauptrezeption des Krankenhauses aus, die in einem modernen Bau ein paar hundert Meter östlich der Villa untergebracht war. Den Wegweisern zum Michael-Sobel-Zentrum folgend schlenderte er durch das Erdgeschoss, bis eine
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