Die Trinity Verschwörung
25. Mai, 1913. Ausbildung: Gresham’s School, Holt und Trinity Hall, Cambridge. Heirat mit Melinda Marling 1940. Am 11. Oktober 1935 Ernennung zum Dritten Sekretär im Foreign Office oder Diplomatischen Dienst. 15. Oktober 1935 Berufung ins Foreign Office. Am 24. September 1938 Versetzung nach Paris. 18. Juni 1940 Versetzung ins Foreign Office.
Dieser letzte Eintrag erregte Gaddis’ Aufmerksamkeit. Auch Crane war im Juni 1940 nach London zurückberufen worden. Hatte er an der Seite Macleans gearbeitet? Waren die beiden Männer Freunde gewesen?
In dem Eintrag hieß es weiter:
15. Oktober 1940 Ernennung zum Zweiten Sekretär, am 2. Mai 1944 Versetzung nach Washington. 27. Dezember 1944 Ernennung zum stellvertretenden Ersten Sekretär. 25. Oktober 1948 Ernennung zum Officer, Stufe 6. 7. November 1948 Berufung zum diplomatischen Rechtsberater in Kairo. 6. November 1950 Berufung ins Foreign Office und Ernennung zum Leiter der Amerikanischen Abtlg. 1. Juni 1951 Suspendierung vom Dienst. Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 1. Juni 1952, mit Wirkung vom 1. Juni 1951.
Dieselben Ausdrücke: » Beendigung des Arbeitsverhältnisses«, » Suspendierung vom Dienst«. 1951 war das Jahr von Burgess’ und Macleans Flucht aus England. Zwei der am hellsten strahlenden Sterne im Dienst Ihrer Majestät verkrümeln sich an einem kühlen Frühlingsmorgen auf einer Kanalfähre Richtung Moskau, weil sie – von ihren Mitverschwörern Kim Philby und Anthony Blunt – den Tipp bekommen haben, dass sie vom MI 5 als Agenten des KGB enttarnt wurden.
Jetzt suchte Gaddis unter dem Buchstaben » P« im Verzeichnis des Dienstes nach Philby. Fehlanzeige. Er griff zum Jahresband 1942 und zog die nächste Niete. Gaddis überprüfte den Band für das Jahr 1960. Auch hier keine Erwähnung Philbys. Warum war er nicht in das Verzeichnis der Mitarbeiter des Foreign Office aufgenommen worden? Erfreuten sich MI 6-Mitarbeiter der Anonymität? Gaddis sah in jedem einzelnen Jahresband zwischen 1940 und 1959 nach und fand nirgendwo einen Hinweis auf Philby. Stattdessen stolperte er über Absonderlichkeiten: Zwischen 1946 und 1952, dem Zeitraum, in dem der Nachruf ihn nach Italien verpflanzte, fanden sich keine Einträge für Edward Crane. War er während dieser Zeit Mitarbeiter des MI 6 gewesen? Oder hatte er nach dem Krieg eine ausgedehnte Auszeit genommen? Es gab viele Fragen, zu viele für Gaddis’ Geschmack. Eine Story dieser Größenordnung zu recherchieren, Charlottes Vorhaben gerecht zu werden, würde Jahre, nicht Monate dauern. Manch ein Historiker hatte sein ganzes Berufsleben der Suche nach dem sechsten Mann gewidmet, keiner von ihnen mit Erfolg. Wenn sich doch bloß ein noch lebender Mitarbeiter des Foreign Office auftreiben ließe, der Crane persönlich gekannt hatte. Es musste doch Kollegen geben, die derselben Delegation angehört oder an derselben Konferenz teilgenommen hatten wie Crane.
Gegen Mittag ging er nach unten, aß in der Cafeteria des Nationalarchivs ein fades Sandwich und nahm an einem der Internet-Terminals Platz. Eine Richtung der Recherche stand ihm noch offen: ein Kollege am UCL hatte ihm den Tipp gegeben, dass manche älteren Diplomaten ihre Unterlagen und persönlichen Papiere im Archiv des Churchill College in Cambridge deponieren ließen. Gaddis könnte dort eine Querverbindung zwischen Crane und einem ehemaligen britischen Botschafter in Argentinien oder vielleicht einem Ersten Botschaftssekretär in Berlin finden. Vor den Fenstern kreischten die Möwen, als er bei Google » Churchill College, Cambridge« eingab. Er holte den Janus Webserver in Cambridge auf den Bildschirm und gab in die Suchleiste » Edward Crane« ein. Drei Katalogeinträge erschienen, keiner enthielt irgendeinen spezifischen Verweis auf Crane. Als er den Namen » Thomas Neame« eingab, lieferte der Server kein einziges Ergebnis.
Sein Ausflug war eine herbe Enttäuschung gewesen. Er ging hinaus zum Parkplatz, und als er im Handschuhfach seines Autos ein altes Päckchen Camel fand, gab er seinen jüngsten Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, wieder auf. Die Zigarette trug wenig zur Aufhellung seines Gemüts bei, und er fuhr im leisen herbstlichen Dauerregen zurück nach Shepherd’s Bush. Es schien, als ob jeglicher Hinweis auf Crane oder Neame systematisch aus den historischen Archiven gelöscht worden wäre. Anders ließ sich kaum erklären, warum sie nicht ausfindig zu machen waren. Noch nie war er im ersten Stadium einer Recherche zu einem
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