Die Trinity Verschwörung
Illustrated News. Er stand vor einem ziemlich komplizierten Problem. Und ich hab ihm weitergeholfen. Wollen Sie wissen, was das war?«
Da Gaddis vermutete, dass er es ihm ohnehin erzählen würde, nickte er mit dem Kopf.
» Endet durch Tod oder Sturz vom Sockel.«
» Wie viele Buchstaben?«
» Vier.«
Gaddis hatte ein Talent für Kreuzworträtsel und brauchte für die Lösung nicht länger als Neame für einen Blick auf seine Armbanduhr.
» Ära. › AERA ‹«
»Sehr gut, Doktor, ausgezeichnet.« Neame klang beeindruckt, aber die Unruhe seiner Hände verriet Verärgerung, als fühlte er seine intellektuelle Überlegenheit durch die Schnelligkeit von Gaddis’ Geist bedroht. » Klar, dass wir danach gute Freunde wurden. Eddies Vater war im Krieg ums Leben gekommen, genau wie meiner. Es gab unbestätigte Gerüchte, der alte Mr. Crane hätte sich selber das Leben genommen. Das ist eine Sache, der Sie vielleicht nachgehen wollen. Am besten ziehen Sie ein, zwei Militär-Historiker zurate und hören sich an, was die dazu sagen.«
» Werde ich machen«, sagte Gaddis.
» Eddies Mutter Susan hat danach wieder geheiratet, einen Mann, den Eddie verabscheut hat.« Neames Mund war jetzt straff, aber unter dem Kinn hing die Haut schlaff herab. » Sein Name ist mir entfallen. Ich bin ihm nie begegnet. Ein Halunke, nach allem, was man gehört hat.«
» Ähnlich wie Philbys Vater.«
Gaddis hatte nicht vorgehabt, so schnell andere Mitglieder des Cambridge-Rings ins Gespräch zu bringen, aber er war zufrieden mit der Wirkung, die seine Beobachtung erzielte. Neame nickte zustimmend.
» Ganz genau. Beide absolute Schreckgespenster. Kims Vater war ein Scharlatan von Gottes Gnaden. Ist zum Islam konvertiert und hat – man glaubt es kaum – den Namen Abdullah angenommen und eine saudische Sklavin geheiratet. Es heißt, er habe für die saudische Monarchie spioniert.«
» Davon habe ich gehört«, sagte Gaddis. » Cherchez le père.«
Neame verstand, was Gaddis damit sagen wollte, und nickte wieder.
» In der Tat. Jedes Mitglied der Trinity-Zelle hatte eine mehr oder weniger komplizierte oder gar keine Vaterbeziehung. Guy verlor noch in ganz jungen Jahren seinen Vater, genau wie Anthony. Und auch Maclean. Als was würde man Sir Donald heutzutage bezeichnen? Einen › Erzeuger‹?« Neame sprach den Ausdruck mit demselben abfälligen Ton aus wie vorher das Wort » unbewusst«. » Oder gar als › strengen Presbyterianer‹? Mehr an der eigenen politischen Karriere als am Fortkommen des Sohnes interessiert. Nach meiner Erfahrung führt mehr oder weniger jeder junge Mann Krieg gegen seinen Vater. Würden Sie mir zustimmen, Doktor?«
Gaddis hielt nichts davon, über Familiendinge zu reden, deshalb flüchtete er sich in einen Scherz.
» Sie sind also doch Freudianer, Tom.«
Neame ging nicht darauf ein. Er kam Gaddis launisch wie ein kleiner Junge vor.
» Wie war es damals in Cambridge«, fragte er, um Verlegenheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. » Was hatten Sie für einen Eindruck von dem Ort?«
Offenbar hob die Frage Neames Stimmung, denn er wandte ihm den Blick zu, und seine klaren blauen Augen lächelten.
» Na ja, zweifellos ist über die Zeit eine Menge Unsinn erzählt worden. Würde man gewissen › Experten‹ Glauben schenken, haben wir unsere Zeit in Cambridge damit verbracht, Gurkensandwiches zu essen, Stechkahnpartien auf der Cam zu unternehmen und in der Kapelle › Jerusalem‹ zu singen. Dafür waren die Zeiten zu hart, das dürfen Sie mir glauben. Natürlich gab es dort jede Menge privilegierte Studienanfänger aus reichen Familien, aber es war nicht alles Brideshead Revisited und Picknick auf der Wiese.«
» Wie denn auch?« Gaddis fragte sich, weshalb Neame so großen Wert auf diese Richtigstellung legte.
» Aber etwas ist zweifellos wahr: In Oxford und Cambridge wimmelte es in den Jahren vor dem Krieg von Kommunisten. Jeder anständige junge Mann – und jede Frau – mit einem Hauch von sozialem Gerechtigkeitssinn im Leib hegte tiefe Skepsis gegenüber dem Weg, den der westliche Kapitalismus nahm. Vergessen Sie nicht, dass die Weltwirtschaftskrise noch nicht lang zurücklag. Etwa drei Millionen Menschen waren ohne Arbeit. Und wirft man den schmucken Adolf mit in den Topf, dann hatte man ein Klima der Furcht, wie es noch nie da gewesen war.«
» Erzählen Sie weiter«, sagte Gaddis. Den schmucken Adolf konnte er vielleicht in eine seiner Vorlesungen einschmuggeln.
» Nun, es ist ganz einfach.«
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