Die Trinity Verschwörung
antwortete.
» Verstehe«, sagte er. Jetzt drehte er sich um, wie ein Standbild mit verrenktem Hals, und Gaddis meinte Besorgnis aus den Runzeln und Furchen im Gesicht des alten Mannes herauslesen zu können. Als befürchtete er, Gaddis’ Intelligenz überschätzt zu haben. » Mein Freund heißt Peter«, sagte er.
» Ist er ein Verwandter von Ihnen? Ein Enkel?«
Gaddis wusste selber nicht, warum er diese Frage gestellt hatte; die Antwort interessierte ihn nicht sonderlich.
» Ist er nicht.« Jemand zog einen eisernen Rollwagen über den Steinboden der Kathedrale, das Quietschen der Räder hallte in dem riesigen Schiff wider. » Sie haben die Anweisungen genau befolgt.«
Weil Gaddis nicht wusste, ob Neame eine Antwort erwartete, wechselte er das Thema.
» Sie können sich denken, dass ich eine Menge Fragen an Sie habe.«
» Und ich an Sie«, erwiderte Neame. Er wandte den Blick wieder zum fernen Altar. Bereits jetzt baute sich eine Spannung zwischen ihnen auf, eine Gereiztheit, mit der Gaddis nicht gerechnet hatte. Er nahm den großen Altersunterschied zwischen ihnen als eine schwer zu überbrückende Kluft wahr, ein bisschen fühlte er sich wie ein kleiner Junge in Gegenwart des Großvaters. Neame trainierte immer noch seine Hände, sein Mittel gegen die Arthritis, die ihn offensichtlich plagte. » Wie haben Sie von Eddie erfahren?«, wollte er wissen.
» Von Charlotte. Sie war eine meiner besten Freundinnen.«
Neame räusperte sich die Kehle frei. » Ja. Ich möchte Ihnen sagen, wie leid es mir getan hat, von ihrem Tod zu erfahren.« Es klang aufrichtig. » Ein nettes Mädchen. Und ausgesprochen klug.«
» Danke. Ja, das war sie.« Gaddis nutzte die Verbesserung des Klimas, um mehr über ihre Beziehung zu erfahren. » Sie hat erzählt, dass sie Sie mehrfach getroffen hatte.«
Die Bestätigung beschränkte sich auf ein abruptes Kopfnicken. Dann senkte Neame den Blick auf Gaddis’ Aktentasche und fragte ihn, ob er beabsichtige, ihre Unterhaltung mitzuschneiden.
» Nur wenn Sie es wünschen.«
» Nein, ich wünsche es nicht.« Auch diese Antwort war kurz und knapp; Neame wollte offensichtlich keinen Zweifel daran lassen, wer das Sagen hatte. Plötzlich zuckte er zusammen wie unter einem grellen Schmerz, der ihm durch den gebeugten Rücken geschossen war, aber er unterdrückte ihn sofort mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln. Gaddis erkannte den klaglosen Gleichmut der Kriegsgeneration. Sein Großvater hatte ihn besessen, und auch seine Großmutter. Kein Aufheben um etwas machen. Keine Klagen. Durchhalten. » Charlotte hat sich dreimal mit mir getroffen«, fuhr Neame fort. » Ich lebe im Meredith, einem Pflegeheim nicht weit von hier. Zweimal haben wir uns in Landgasthöfen getroffen, um über Eddie zu reden, einmal bei mir im Heim. Und das war in der Tat eine amüsante Begegnung. Ich musste sie als meine Enkeltochter ausgeben.« Gaddis lächelte, als er sich Charlotte in dieser Tarnung vorstellte. Das waren Kriegslisten nach ihrem Geschmack gewesen. » Ich muss sagen, dass es ein Schock für mich war, von ihrem Tod zu erfahren.«
» Für uns alle.«
» Und, vermuten Sie eine Form von Fremdeinwirkung?«
Sowohl die Tragweite der Frage als auch die ruhige Sachlichkeit, mit der Neame sie gestellt hatte, überraschte Gaddis. » Gar nicht«, antwortete er. » Sie etwa?«
Neame holte tief Luft, ein wenig zu theatralisch, wie Gaddis fand.
» Tja, woher soll ich das wissen? Aber jetzt haben Sie die Bühne betreten. Sie sind der Mann, der der Geschichte nachgeht. Und ich vermute, Sie möchten, dass ich Ihnen von Eddie erzähle.«
» Sie sind an mich herangetreten«, erwiderte Gaddis, den Neames Art zu irritieren begann. » Sie haben mir E-Mails geschrieben. Sie haben mir Peter geschickt. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, woher Sie wussten, dass ich Charlottes Job übernommen habe. Ich kann nur vermuten, dass sie Ihnen erzählt hat, dass wir zusammen ein Buch schreiben wollten.«
» Das ist korrekt.« Gaddis glaubte nicht, dass Neame die Unwahrheit sagte. Die eiserne Karre setzte ihre Reise über einen entfernten Steinfußboden fort, das metallene Kreischen der Räder trug seinen Teil zur kampfeslustigen Stimmung zwischen ihnen bei. » Ich vermute, Sie wissen über St. Mary’s Bescheid.«
» Ich weiß über St. Mary’s Bescheid.«
Endlich ein Bereich der Geschichte, in dem Gaddis sich zu Hause fühlte. Der alte Mann wandte ihm wieder sein Gesicht zu, ein Hauch von Lavendel lag in der Luft. Neames
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