Die Trinity Verschwörung
Neame berührte den perfekten Windsorknoten seiner wollenen Krawatte. Auf halber Höhe war ein kleiner Fleck im Stoff. » Wir waren alle ziemlich begeistert von dem russischen Experiment. Und ein paar waren noch begeisterter als die anderen.«
» Sie sprechen von Eddie?«
» Sicher, von Eddie. Aber jeder meiner Bekannten war von Marx fasziniert. Kommunist zu sein war 1933 so normal wie ein Klacks Senf auf dem Bratensandwich. Wir waren überall. Es wimmelte von Menschen, die das System abschaffen wollten.«
» Menschen wie Burgess und Maclean? Menschen wie Philby und Blunt?«
Neame schoss einen kurzen Seitenblick auf ihn ab, und Gaddis befürchtete schon, er könnte die nächste Runde ihrer kleinen Machtspielchen einläuten. Am Ende ihrer Sitzreihe richteten zwei Touristen in Trainingshosen und mit prall gefüllten Geldgürteln die Objektive ihrer 1000-Euro-Nikons auf die Kirchendecke. Sie unterhielten sich laut auf Deutsch, und Neame wartete, bis sie ein Stück den Gang hinaufgegangen waren, bevor er weiterredete.
» Natürlich«, sagte er. » Guy und Anthony taten sich besonders hervor in der Partei. Donald war ein großer Protestler. Immer auf den Barrikaden, immer vorneweg, wenn sich Gelegenheit zum Widerspruch bot.«
» Und Crane?«
Neame überlegte, offenbar bemüht, das Verhalten seines Freundes so korrekt zu beschreiben, wie es mit einem Abstand von mehr als siebzig Jahren möglich war.
» Eddie war nachdenklicher«, sagte er schließlich. » Eddie behielt die Ruhe.«
» Wie meinen Sie das?«
» Blunt muss ihn gekannt haben, schließlich waren Eddie und er in derselben Französischklasse, aber er ist nie aktiv gewesen. Und deshalb ist er auch nicht in den Dunstkreis von Maurice Dobb geraten, dem Dozenten, der Anthony so entschlossen in Richtung der Partei gedrängt hat. Er ist nie offiziell Kommunist geworden.«
Das verwunderte Gaddis, nicht zuletzt, weil Parteimitgliedschaft eine Voraussetzung war, um für den NKWD zu arbeiten, den Arm des sowjetischen Geheimdienstes, der damals in Großbritannien tätig war.
» Sie sehen überrascht aus, Doktor.«
Der nächste Schmerz schien Neame in den Rücken zu fahren und das Ende der Frage abzuschneiden. Der alte Mann zuckte zusammen, beugte sich langsam vor.
» Alles in Ordnung?« Natürlich musste Gaddis seiner Sorge um das Wohlbefinden Neames Ausdruck geben, aber er wollte ihm um keinen Preis einen Vorwand liefern, das Interview abzubrechen. Er hatte eine Ewigkeit gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Womöglich war es ihre erste und letzte Begegnung. Er musste so viele Informationen wie möglich aus ihm herausholen.
» Alles in Ordnung«, versicherte ihm Neame mit einer entschiedenen Handbewegung. Gaddis sah, dass er wieder die Faust ballte, gegen die Arthritis ankämpfte. » Ich habe oft genug versucht, Eddie zum Parteibeitritt zu überreden. Und viele andere von uns auch.«
» Ohne Erfolg?«
» Ohne Erfolg.« Neames Stimme klang jetzt sanfter, fast resignierend, aber plötzlich drängte ihn der nächste Energieschub, Crane in Schutz zu nehmen.
» Ich kam zu dem Schluss, vor allem im Rückblick, dass viele Wege zum Ziel führten. Man muss nicht der Labour Party angehören, um einem Labour-Kandidaten seine Stimme zu geben. Man kann rechte Standpunkte in England vertreten, ohne die Daily Mail abonniert zu haben. Verstehen Sie?«
» Ich verstehe.«
» Eddie war ein zurückhaltender Mensch. Es lag ihm nicht, sich in den Vordergrund zu drängen. Man könnte sagen, dass er den Dingen ihre Zeit ließ. Hat er das getan, damit in seiner Akte nichts stand, was eine Anstellung im öffentlichen Dienst gefährdet hätte, oder weil er in diesem zarten Alter ein schüchterner junger Mann war, dem es noch an dem Selbstbewusstsein mangelte, das die berühmteren Mitglieder der Zelle auszeichnete?«
» Was meinen Sie?«
Neame wog seine Antwort ab, ließ sich Zeit damit. Fast eine halbe Minute verging, ehe er antwortete.
» Ich vermute sehr stark Letzteres. Wenn ich mich recht erinnere, hegte Eddie keine großen Ambitionen auf einen Posten im Foreign Office oder eine Karriere in der Regierung. Bedenken Sie, er war achtzehn, gerade erst mit der Schule fertig. Und er war kein Kim, bei dem alles mit Pauken und Trompeten geschah. Lieber Himmel, wenn ich mich recht erinnere, war Kim in null Komma nichts Mitglied der CUSS .«
» CUSS ?«
» Cambridge University Socialist Society. Der war so überdreht, dass die Sowjets ihn schon für einen Spitzel hielten.«
»
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