Die Trinity Verschwörung
besser war als befürchtet. Mehr als einen Monat nachdem er Calvin Somers einen Scheck über 2000 Pfund überreicht hatte, war die Summe noch nicht abgebucht worden. Es war ein nachdatierter Scheck gewesen, aber seit mindestens zwei Wochen hätte Somers ihn bei seiner Bank einreichen können.
Gaddis stand vor einem Dilemma. Er konnte die Daumen drücken und hoffen, dass Somers den Scheck vergessen hatte, aber die Vorstellung, ein gieriger und berechnender Mann wie Somers könnte vergessen haben, dass er auf zwei Riesen saß, schien ihm schon ein wenig abenteuerlich. Wahrscheinlicher war, dass Somers den Scheck verloren hatte und in drei, vier Wochen bei ihm anklopfen und um einen Ersatz bitten würde. Nichts konnte Gaddis weniger gebrauchen als einen Gläubiger, der ihn in der Vorweihnachtszeit um zweitausend Pfund erleichtern wollte. Bis dahin wäre so ziemlich jeder von ihm ausgeschriebene Scheck geplatzt. Er blätterte in der Kontaktliste seines Handys die Nummer des Mount Vernon Hospital auf, um Somers auf der Station anzurufen.
Der Anruf wurde in die Telefonzentrale umgeleitet. Gaddis war ziemlich sicher, wieder an dieselbe genervte, ungeduldige Vermittlerin geraten zu sein, die ihn schon im September hatte abblitzen lassen.
» Würden Sie mich bitte zu Calvin Somers durchstellen? Ich bekomme ihn nicht an den Apparat.«
Das tiefe Einsaugen von Luft war nicht zu überhören. Zweifellos war es dieselbe Frau, und schon dieses bescheidene Ansinnen schien ihr auf den Geist zu gehen.
» Darf ich fragen, mit wem ich spreche?«
» Sam Gaddis. Die Angelegenheit ist persönlich.«
» Bleiben Sie bitte in der Leitung.«
Bevor Gaddis » natürlich« sagen konnte, war die Leitung tot; er hielt sein Handy in der Hand und fragte sich, ob sie die Verbindung womöglich unterbrochen hatte. Er wollte schon die rote Taste drücken und neu wählen, als sich ein Mann mit einem Räuspern meldete.
» Mr. Gaddis?«
» Ja.«
» Sie fragen nach Calvin?«
» So ist es.«
Gaddis bekam die entsetzliche Pause zu hören, die schlechten Nachrichten vorausgeht.
» Darf ich fragen, in welcher Beziehung Sie zu ihm standen?«
» Was soll das heißen?« Instinktiv wusste Gaddis, dass etwas nicht stimmte, und bedauerte seine Renitenz. » Calvin hat mir bei meinen Recherchen zu einer wissenschaftlichen Arbeit geholfen. Ich bin Dozent am University College. Ist alles in Ordnung?«
» Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Calvin etwas Schreckliches zugestoßen ist. Er ist auf dem Heimweg von der Arbeit ausgeraubt und erstochen worden. Es wundert mich, dass Sie es nicht in der Zeitung gelesen haben. Die Polizei geht von einem Mord aus.«
24
Gaddis stand in demselben Zimmer, in dem er von Charlottes Tod erfahren hatte, aber diesmal war seine Reaktion eine völlig andere. Er unterbrach die Verbindung, drehte sich zu dem großen Bücherregal um, das eine Seite seines vollgestellten Arbeitszimmers einnahm, und fühlte nichts als nackte Angst. Für eine ganze Weile blieb er einfach nur bewegungslos stehen, sein blockiertes Gehirn wehrte sich gegen die unvermeidliche Logik dessen, was man ihm gerade mitgeteilt hatte. Wenn Calvin Somers ermordet worden war, dann war Charlotte mit hoher Wahrscheinlichkeit denselben Leuten zum Opfer gefallen. Was nichts anderes bedeutete, als dass sein eigenes Leben in Gefahr war, und auch das von Thomas Neame und Ludmilla Tretiak. Gaddis merkte, dass er begann, in der dritten Person an sich zu denken, so als wäre er von sich und seinem vertrauten, sicheren Leben abgetrennt; das war eine Art Denktrick, eine instinktive Abwehrreaktion, mit der sich die Wahrheit seines Dilemmas verleugnen ließ. Aber man entkam der Wahrheit nicht. Wer immer Somers getötet hatte, würde seine Aufmerksamkeit jetzt direkt auf ihn richten.
Er starrte immer noch auf das Bücherregal, sein leerer Blick sprang von Buchrücken zu Buchrücken. Sollte er zur Polizei gehen? Konnte er behaupten, dass Charlotte ermordet worden war? Wer würde ihm das glauben? In dem Haus in Hampstead hatte es keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gegeben. Charlotte hatte ein schwaches Herz und führte einen ungesunden Lebensstil, da biss die Maus keinen Faden ab. Außerdem war sie verbrannt worden, für eine Autopsie war es zu spät. Gaddis wusste weder, warum Somers getötet worden war, noch, wer das Verbrechen ausgeführt hatte. Er vermutete, dass der russische Geheimdienst dahintersteckte, aber warum sollte man einen Mann töten, nur
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