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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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gedacht, deine alte Freundin, der du mal wieder einen Besuch abstatten könntest«, erwiderte Flores zynisch.
    »Nein. Ich würde dich nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre. Zu dir bin ich gekommen, damit du weißt, dass die Berichte über deinen Bruder nicht der Wahrheit entsprechen.«
    Eine Weile sah Flores dem Kämpfer in die hellen Augen, konnte aber nichts als aufrichtige Sorge darin erkennen, weshalb sie nickte. Schon immer war Natiole wie ein großer Bruder für die Zwillinge gewesen, seit sie allein und verängstigt in Désa angekommen waren. Loyale Bedienstete ihrer Eltern hatten sie damals auf das Geheiß ihres Vaters hin aus Dabrân geschmuggelt. An die Flucht selbst hatte Flores nur noch albtraumhafte Erinnerungen – an lange, mit flackernden Fackeln beleuchtete Gänge und einen wilden Ritt durch den nächtlichen Forst.
    Aber sie erinnerte sich in aller Deutlichkeit an ihren Vater, der vor Sten und ihr niedergekniet hatte, sie an sich gedrückt und ihnen gesagt hatte, dass sie jetzt stark und tapfer sein müssten. Ihre Mutter hatte währenddessen die Vorbereitungen für die Flucht getroffen und die Diener in die Stadt gesandt, um dort Pferde zu besorgen, denn die Masriden waren schon im Hof der Burg angekommen und hatten das Tor in ihre Gewalt gebracht. Dann hatte ihre Mutter sie unter Tränen verabschiedet, und sie waren von Carein, dem alten Majordomus ihrer Familie, durch einen Tunnel aus der Burg gebracht worden.
    Erst nachdem sie in Désa angekommen waren, hatten die Zwillinge die ganze Wahrheit erfahren. Wie Házy, den Zorpad als Gesandten an den Hof in Dabrân gesandt hatte, seinem Herrn von umstürzlerischen Plänen der Herrscher dort berichtet hatte und dann mit dem Lehen für seine Treue und seine Ergebenheit dem Masridenherrscher gegenüber belohnt worden war. Wie ihr Vater und ihre Mutter sich den Soldaten widersetzt hatten, um ihren Kindern Zeit für die Flucht zu erkaufen. Ihre Mutter, die stolze und schöne Ana cal Dabrân, war mit dem Schwert in der Hand im Burgfried von Rabenstein erschlagen worden, als die Masriden das Tor eingenommen hatten und auf den Hof gestürmt waren, während ihr Vater schwer verletzt überwältigt und am nächsten Morgen auf dem Marktplatz von Dabrân wie ein gemeiner Verbrecher hingerichtet worden war.
    Als sie davon gehört hatte, dass ihr Vater auf dem Scheiterhaufen gestorben war, da war etwas in Flores zerbrochen, und in ihrem Herzen tobte ein Schmerz, den sie auch bei Sten spüren konnte.
    Nachts hatten die Zwillinge sich aneinander geklammert, eingeschüchtert von der fremden Umgebung und dem furchtbaren Verlust, den sie erlitten hatten, auch wenn alle freundlich und großzügig zu ihnen gewesen waren, allen voran Ion-na cal Sares, die Herrin von Désa.
    Viele der anderen Wlachaken, die sich im Mardew verbargen, hatten ebenfalls Freunde und Familie in den unablässigen Kämpfen mit den Masriden verloren und behandelten die Geschwister dementsprechend fürsorglich. Dennoch, zunächst fühlten sich Sten und Flores oft allein und verloren, bis sie Natiole Târgusi kennen lernten, dessen Humor und Witz sie immer wieder zum Lachen brachte.
    Zwar war der junge Mann nur einige Jahre älter als sie, doch irgendwie adoptierte er die Zwillinge und wurde ihr Freund und Vorbild, dem sie in allen Dingen nacheiferten.
    Aber während Sten nichts als Bewunderung für seine großen Vorbilder Ionna und Natiole empfand und schon frühzeitig seiner Schwester schwor, dass er eines Tages auch kämpfen und seine Eltern rächen würde, glaubte Flores zu erkennen, wie sinnlos dies alles war. Insgeheim leistete sie auch einen Schwur, nämlich niemals so zu enden wie ihre Eltern, ein weiteres Opfer des Freiheitskampfes.
    Und so hatte Sten, sobald er eine Waffe hatte führen können und alt genug gewesen war, sich mit Natiole und den anderen aufgemacht, die Masriden zu bekämpfen, wo er nur konnte. Flores hingegen war im Mardew geblieben, doch irgendwann ertrug sie den Hof in Désa einfach nicht mehr, denn dort gab es nur die bedrückende Atmosphäre einer ständigen Belagerung und keine anderen Themen als den Krieg und die Erlangung der Freiheit. Und natürlich den Tod, der ein ständiger Begleiter für die Wlachaken geworden war. In seinem Hass auf die Rebellen, die sich seiner Herrschaft widersetzten, verübte Zorpad immer wieder ungeheure Grausamkeiten an jenen, die gefangen wurden, und regelmäßig gab es junge Männer und Frauen, die nicht mehr nach Désa

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