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Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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wieder.
    »Ja, sollte man«, antwortete ihr Freund. »Warum tust du es nicht?«
    »Lass das, Nati, kein Rebellen-Geschwätz. Außerdem meinte ich Sten, diesen Trottel. Ich habe ihm hundertmal gesagt, dass es ihn das Leben kosten wird, wenn er nicht Vernunft annimmt.«
    »Vernunft. Das Volk sterben zu lassen ist also vernünftig?«, entgegnete Natiole bitter und wies auf den ärmlichen, leeren Schankraum, doch Flores hob abwehrend die Hand.
    »Ich sagte, du sollst es lassen.«
    Verstimmt widmete Natiole sich wieder seinem Frühstück und würdigte Flores keines weiteren Blickes. Ihre Entscheidung, sich nicht am Kampf ihres Zwillingsbruders und seiner Gefährten zu beteiligen, stieß bei Natiole und Sten immer noch auf Unverständnis, genauso, wie Flores nicht verstand, was die anderen mit ihren Überfällen und Scharmützeln zu erreichen glaubten.
    Die Masriden beherrschten das Land seit mehr als zweihundert Jahren, ihre Krieger waren gut ausgebildet und ausgerüstet. Noch kein Wlachake hatte es auch nur annähernd geschafft, sie zu vertreiben. Selbst die großartige, viel besungene Herbstschlacht war kaum ein glorreicher Sieg gewesen, denn auch wenn die Wlachaken auf dem Schlachtfeld gewonnen hatten, so hatten sie doch Zorpads Bedingungen für einen Waffenstillstand akzeptieren müssen. Es war ein hoffnungsloser Kampf, geführt von verbohrten Männern und Frauen mit falschen Idealen, die alle früher oder später den Tod fanden.
    So wie Sten, der wieder einmal seinem Ende ins Auge geblickt hatte. Aber Flores wusste, dass er keine Vernunft annehmen würde. Nein, ihr Bruder würde kämpfen, bis die Masriden vertrieben waren oder er starb, und Flores wusste ganz genau, was wahrscheinlicher war.
    Wütend starrte sie Natiole an, den sie schon kannte, seitdem sie mit Sten nach Désa gekommen war und der damals schon für die Freiheit der Wlachaken gekämpft hatte. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte Flores sich von Natioles unmöglichen Träumen gelöst, als sie älter geworden war. Schon früh hatte sie erkannt, dass die Sache der wlachakischen Rebellen verloren war. Die Erinnerung an das Ende ihrer Eltern schien ihr ein guter Beweis dafür, wie aussichtslos dieser Kampf war. Sie hatte sich entschieden, ihr Leben unter der Herrschaft der Masriden so gut zu führen, wie sie eben konnte.
    »Blut wird nicht zu Wasser. Ihr seid eine Familie. Du kannst dir vielleicht einreden, dass du ihn hasst, aber nicht mir«, unterbrach Natiole ihre Gedankengänge.
    Flores sah ihn finster an und erwiderte dann erschöpft: »Aber das Blut versickert im Waldboden, Nati. Es fließt aus tausend Wunden, bis nichts mehr übrig ist. Jeden Tag, jede Nacht. Wenn er nicht heute stirbt, dann morgen oder übermorgen. Ich bin es müde, auf die Nachricht von seinem Tod zu warten. Oder von deinem.«
    Lange Zeit starrte ihr Gegenüber sie an, doch sie hielt seinem Blick eisern stand, bis er wieder auf sein Frühstück sah und murmelte: »Es tut mir Leid, Flores.«
    »Schon gut, Nati. Ihr habt dieses Leben gewählt und ich das meine. Also, erzähl weiter.«
    »Sten war also in diesem Käfig …«, berichtete der Rebell, doch Flores unterbrach ihn abermals.
    »Käfig?«
    »Ja, sie hatten ihn in einem Käfig in den Wald gehängt, und die Trolle haben ihn so gefunden und mitgenommen. Mit Käfig und allem. Das war schon ein Anblick!«
    Flores lachte laut auf und bat ihren Freund dann fortzufahren.
    »Nun ja, jedenfalls hat Sten uns tagsüber befreit. Diese Ungeheuer hatten die Familie und mich in den Keller gesperrt, aber tagsüber sind sie … wie tot. Weißt du, man sagt doch, dass Trolle zu Stein werden, wenn die Sonne sie berührt«, erklärte Natiole, und Flores nickte.
    »Ja, aber das stimmt nicht. Sie schlafen nur, ganz fest, und nichts kann sie wecken. Sten hat sich aus dem Käfig befreit und hat uns aus dem Kellerloch geholt. Und dann hat er die Bauern und mich fortgeschickt. Er selbst wollte bleiben und mit den Trollen reden.«
    »Was? Mit Trollen reden? Typisch Sten! Was ist das wieder für eine Verrücktheit?«
    »Tja, das habe ich auch gesagt, aber er ließ sich nicht davon abbringen. War auch ganz gut so, denn als ich in Orvol ankam, da hat mich der Vorbs gesehen und erkannt. Er hat die Einwohner gegen mich aufgehetzt, und die einfachen Leute haben sich nicht getraut, sich ihm zu widersetzen. Kaum hatte ich mich versehen, saß ich schon wieder in einem Keller, diesmal aber gefesselt.«
    »So viel zu dem einfachen Volk, das ihr befreien wollt!«,

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