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Die Trüffelgöttinnen (German Edition)

Die Trüffelgöttinnen (German Edition)

Titel: Die Trüffelgöttinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lexa Holland
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eine Waffe, und wenn man nicht rechtzeitig zur Seite sprang, wurde man gnadenlos angerempelt.
    Eine kleine alte Dame im Blümchenkleid und passendem Strohhut hatte offensichtlich im gezielten Rammen von Einkaufswagen eine wirksame Therapie gegen ihren Niedrigrentenfrust entdeckt, jedenfalls beobachtete Melanie eine Zeit lang schmunzelnd, wie sie ihren Wagen immer wieder mit kindlich unschuldigem Gesichtsausdruck aber absolut zielsicher auf die Wagen anderer Kunden zuschob und sie ganz einfach mit einem lauten Scheppern rammte, wenn sie nicht schnell genug in einen anderen Gang ausweichen konnten. Nach mehreren geglückten Manövern peilte sie einen schüchtern wirkenden jungen Mann an, der hastig versuchte, nach rechts auszuscheren, aber dummerweise stieß die Nase seines Einkaufswagens genau in eine kunstvoll aufgeschichtete mannshohe Pyramide aus Hundefutterdosen. Das Geschepper der in sich zusammenfallenden Dosen war vermutlich bis in den hintersten Winkel des Supermarkts zu hören, aber als einige Angestellte herbeistürzten, war die kleine alte Dame längst zwischen den Regalen verschwunden.
    Das Bild der einstürzenden Pyramide erinnerte Melanie wieder an das, was sie vorhin gesehen hatte. Sie hatte sich von einem Taxi zur Südspitze Manhattans bringen lassen, wo statt der beiden Türme des World Trade Centers nur noch ein riesiges Trümmerfeld lag - Ground Zero . Immer wieder zückte jemand die Kamera, um den beunruhigenden Anblick für Zuhausegebliebene oder für das eigene Fotoalbum festzuhalten, und immer wieder sah man Menschen, die sich verstohlen die Augen wischten, bevor sie diesen Ort des Grauens wieder verließen.
    Melanie blieb nur kurz, der Anblick dieser Schutthalde rief Bilder hervor von Menschen, die sich in ihrer Verzweiflung aus Fenstern stürzten, von brennenden und qualmenden Treppenhäusern und der alles unter sich begrabenden Staub- und Schuttlawine, und von den zwei den Himmel spiegelnden Türmen, die wie Spielzeug in sich zusammensanken und Tausende Menschen mit sich rissen.
    Wortlos war sie ins Taxi gestiegen und hatte sich zurückfahren lassen. Der Taxifahrer schien ihr Bedürfnis nach Stille zu spüren, er hatte das Radio abgestellt und sprach sie auch nicht an. Vermutlich kannte er das schon – Menschen, die den Ort des Grauens sehen wollten und dann so mitgenommen waren, dass sie nur noch ihre Ruhe wollten.
    Die blitzschnell herbeigeeilten Angestellten sammelten gemeinsam mit dem armen Angerempelten die Hundefutterdosen auf und packten sie in die gleich mitgebrachten Einkaufswagen. Solche Pyramidencrashs schienen sich hier öfter zu ereignen, jedenfalls arbeitete die freundliche Truppe in den blauen Kitteln konzentriert und rasch wie ein Sprengstoffräumkomando, und innerhalb einer Minute war alles in den Wagen verstaut, der arme Mann mit ein paar beruhigenden Worten versorgt und die schadenfroh gaffende Menge zwischen den Regalen verschwunden.
    Melanie schob auf der Suche nach der Süßigkeitenabteilung ihren Wagen an einer langen Reihe mit unüberschaubar vielen verschiedenen Orangensaftsorten vorbei und stand plötzlich direkt vor einem riesigen Regal mit der Aufschrift HighC, vor dem sich eine unglaubliche Traube von Frauen drängte. Eine kurze Unterzeile erläuterte, dass es sich bei allen Lebensmitteln, die hier zu finden waren, um das krasse Gegenteil der deutschen Light -Erzeugnisse handelte – nämlich um Lebensmittel, die künstlich mit besonders vielen Kalorien aufgepeppt worden waren. Please your fat cells stand in fröhlich rotem Schriftzug auf jedem Etikett, und genau das schienen die Frauen, die nacheinander Unmengen von Tüten, Gläsern und Flaschen aus dem Regal in ihren Wagen luden, vorzuhaben.
    Ein spindeldürres junges Mädchen öffnete heimlich eine Tüte mit dreifach glasierten Smarties und stopfte sich mit seligem Gesichtsausdruck ein paar der roten, grünen und gelben Dinger in den Mund, bevor sie die Packung zu all den anderen HighC- Produkten in ihren Einkaufswagen legte.
    Eine besonders um Hüften und Busen herum ziemlich üppige Blondine zwinkerte ihr verschwörerisch zu und tätschelte ihr beruhigend den Arm, als wollte sie sagen: Das kriegst du schon noch hin!
    Melanie erinnerte sich daran, wie sie in Deutschland jedes Mal frustriert vor dem Regal mit den zwar kalorienarmen, aber dafür ebenso geschmacksarmen Light produkten gestanden hatte, um den Einkaufswagen schließlich resigniert mit fettreduzierter Salami, Halbfettbutter, Magerkäse und

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