Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
sie nur kurz und eher erleichtert, und da er freundlicherweise eine astronomisch hohe Lebensversicherung zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte, stand ihr endlich so viel Geld zur Verfügung, dass sie sich hemmungslos und ausschließlich ihrer größten Leidenschaft widmen konnte: eine hervorragende Kopie der von ihr vergötterten Filmdiva Marlene Dietrich zu werden. Sie bleichte sich die dunklen Haare blond, ließ den Wangenknochen mittels einer plastischen Operation Dietrich’sches Profil verleihen und trug von nun an rund um die Uhr wie ihr Vorbild große Roben, ausgefallenen Schmuck und Make-up und manchmal sogar eine der Kleiderfarbe angepasste Federboa, und natürlich hielt sie ständig mit abgespreizten Fingern eine silberne Zigarettenspitze in der Hand – egal ob es sich um einen Theaterbesuch, um den Einkauf im Supermarkt oder das Wäscheaufhängen im Garten handelte. Dass man hinter ihrem Rücken über sie tuschelte und lachte, störte sie nicht im Mindesten, sie genoss ihre großen Auftritte wie eine Königin.
Dass sie dann schließlich auf einer ihrer Reisen tatsächlich in den Königinnenstand erhoben werden würde, hatte sogar sie sich noch nicht einmal in den allerkühnsten Träumen ausmalen können. Umso mehr genoss sie es dann, als sie während einer Safari in Afrika von dem bildschönen hochgewachsenen, ebenholzschwarzen Stammesfürsten O’Bambuu und seinem Volk wegen ihrer pinkfarbenen Straußenfederboa und den in der Sonne gleißenden riesigen Strassklunkern zur weißen Göttin erklärt und von O’Bambuu trotz ihres Unfruchtbarkeit verheißenden Alters außerordentlich hartnäckig und kostspielig umworben wurde. Weder die stündlich erhöhte Anzahl an Langhaarziegen und Wasserbüffeln noch die fünf weißen Löwenbabys und drei Antilopen noch die beachtliche Beule, die sich unter des Königs Lendenschurz abzeichnete und ungeahnte sexuelle Freuden verhieß, hatten ihr Herz erweichen können – sie war ganz einfach nicht geschaffen für ein Leben in einem afrikanischen Gral.
Aber als ihr schließlich eine Stadtvilla mit 20 Zimmern, einem paradiesisch schönen Garten, Satellitenfarbfernseher in jedem Zimmer und vor allem mit einem Heer von Personal versprochen und ihre Anwesenheit im Stamm nur zu hohen Festen gefordert wurde, schmolzen ihre Bedenken dahin wie Butter in der Sonne. So war die Reisegruppe schließlich ohne sie, aber dafür mit einer Sensation für die deutsche Boulevardpresse weitergezogen, und aus Bea Vetter war in einer spektakulären fünftägigen Stammesfeier Königin Bea O’Bambuu I. und ihre Straußenfederboa und das Strasscollier zu wichtigen Insignien ihrer königlichen Macht geworden.
Melanie löschte das Licht, drehte sich auf die Seite und fragte sich, was ihre Mutter so Wichtiges auf dem Herzen haben konnte, aber noch bevor sich eine vage Idee in ihr übermüdetes Gehirn einschleichen konnte, war sie bereits wieder eingeschlafen.
* * *
Jays üppige dunkle Rastalockenmähne fiel unter den umherwandelnden pinkfarbenen Bademänteln schon von Weitem ins Auge. Er hatte es sich in einem der Besuchersessel bequem gemacht und sprang auf, als Melanie mit der wie immer strahlenden Rachel und ihren beiden Koffern durch die Halle auf ihn zu kam.
„ Na, gut erholt?“
Er warf verstohlen einen anerkennenden Seitenblick auf die hübsche Rachel und wandte sich dann rasch wieder Melanie zu.
„ Na ja, ein bisschen gealtert und aufgepolstert, sozusagen!“ erwiderte Melanie grinsend. Allein die Vorstellung, dass ein solcher Satz irgendwann einmal auf sie zutreffen könnte, hätte sie früher literweise in Schweiß gebadet, jetzt kam er ihr so natürlich von den Lippen, dass sie selbst erstaunt war.
Heimlich betrachtete sie sich in der Spiegelsäule neben Jays Sessel. Das hautenge Kostümchen, das sie bei der Anreise getragen hatte, konnte sie jetzt natürlich nur noch deshalb tragen, weil die geschickte Rachel am Rockbund den Abstand zwischen Knopf und Knopfloch mit einem Gummiband überbrückt hatte. Die zugelegten Pölsterchen waren nicht zu leugnen – und das sollten sie ja auch nicht! Melanie war stolz auf ihre etwas üppigeren Hüften, und auch am Busen hatte sie etwas zugelegt. Jedenfalls konnte sie es kaum erwarten, die Pölsterchen sich weiter aufplustern zu sehen wie den Hefeteig, aus dem ihre Lieblingsoma immer heimlich die köstlichen Krapfen für sie gebacken hatte, die sie dann hinter dem Rücken ihrer kalorienfeindlichen Mutter mit einer lustvollen
Weitere Kostenlose Bücher