Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Kalorien könnten auf magische Weise in ihren Körper übergehen. Jetzt griff sie, ohne zu zögern nach einem der köstlich aussehenden Lachs-Kanapees, die verschwenderisch mit Kaviar, Sahne und frischen Kräutern dekoriert auf einer silbernen Platte auf sie gewartet hatten.
Genüsslich kauend ging sie zurück ins Wohnzimmer, dessen breite Glasfront einen spektakulären Blick direkt auf den wie ein breites silbriges Band vorbeiziehenden Hudson erlaubte.
Melanie hielt nach dem ihr wichtigsten Utensil Ausschau: einem breiten, einladenden Bett. Wie sie vermutet hatte, gelangte man vom Wohnzimmer aus direkt in das von der Morgensonne durchflutete Schlafzimmer. Das Bett befand sich in einer sechseckigen, sich nach vorne weitenden Nische, die vollkommen verspiegelt war. An diesen Anblick musste Melanie sich erst gewöhnen, denn mit Spiegeln am Bett stand sie auf Kriegsfuß. Vor Thomas war sie mit einem Spiegelfetischisten zusammen gewesen, und statt leidenschaftlicher Lust hatte sie jedes Mal Höllenqualen ausgestanden, wenn sie sich in seinem Schlafzimmer auf dem riesigen Bett vor den rundum angebrachten deckenhohen Spiegeln geliebt hatten, weil so keiner ihrer körperlichen Mängel vor seinen voyeuristischen Blicken verborgen bleiben konnte. Sie spannte dabei jedes Mal so verzweifelt die Bauchmuskeln an, dass an einen Orgasmus gar nicht erst zu denken war.
Schließlich hatte sie nach drei Monaten die Beziehung beendet, weil sie der Dauerkonfrontation mit ihrem Spiegelbild mit den damit verbundenen körperlichen Kontrollmechanismen nicht mehr gewachsen war.
Auch jetzt hatte ihr der Anblick der vielen Spiegel im ersten Moment aus alter Gewohnheit Unbehagen bereitet, aber aus der neu gewonnenen Perspektive, was Rundungen, Pölsterchen und Polster anbelangte, fand sie sich schnell in einem sachte aufkeimenden Gefühl wieder, das vorerst noch wie ein kleines, feines Flämmchen aufglühte, das erst noch ein wenig angefacht werden musste: Das freudige Erkennen, dass künftig auch diese sinnlichen Freuden auf sie warteten, so wie ein guter alter Freund geduldig vor der Tür ausharrte, bis man ihn endlich erkannte und mit einem Freudenruf einließ.
Melanie ging ins Bad und ließ heißes Wasser in die schwarz glänzende Wanne einlaufen. Sie hatte jetzt Lust, bis zur Nasenspitze in einem Berg aus duftendem Schaum zu verschwinden. Sie fühlte sich bereits ganz wie zu Hause und bedauerte schon jetzt den Moment, wo sie dieses Appartement wieder verlassen musste.
In Afrika würde sie erst gegen Abend anrufen, wenn die Uhr Ihrer Königlichen Hoheit auf 2 Uhr morgens stand. Ihre Mutter musste endlich einmal am eigenen Leib erfahren, wie es war, mitten in der Nacht vom Klingeln eines Telefons aus dem Bett geholt zu werden, vielleicht hielt sie das künftig von ähnlichen Aktionen ab.
Nach dem Bad würde sie ein wenig die Gegend erkunden und vor allem nach einem der berühmten riesigen Supermärkte Ausschau halten, wo es statt wie in Frankfurt nur drei sogar ganze zwanzig Sorten Äpfel gab und nicht nur einen bescheidenen Präsentationsständer, sondern ein richtiges Kinderparadies an Süßigkeiten.
Während das Wasser einlief, studierte sie die Gebrauchsanleitung der mit beeindruckend vielen Reglern und Knöpfen ausgestatteten Stereoanlage, legte eine der CDs aus der vorhandenen riesigen Sammlung ein, und während Frank Sinatra in einem seiner berühmtesten Songs Melanies derzeitiger Heimatstadt huldigte, fragte sie sich, wem diese luxuriös ausgestattete Wohnung eigentlich gehören mochte. Jedenfalls musste die Miete ein kleines Vermögen kosten, das ihren Eigenanteil und ihre finanziellen Möglichkeiten weit überschritt.
Sie beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern zu genießen, was das Schicksal ihr so großzügig gewährt hatte, holte die Platte mit den Kanapees aus dem Kühlschrank und verschwand für die nächsten zwei Stunden in einem rosa gefärbten Schaumberg, in dem sich neben ihr mühelos fünf Liebhaber hätten verstecken können.
Dass Melanie noch nicht einmal einen Einzigen zur Verfügung hatte, störte sie in diesem Moment nicht. Das würde sich schon sehr bald ändern, da war sie sich ganz sicher.
* * *
Die Einkaufswagen in Glancy’s Supermarket besaßen ein derart einschüchterndes Fassungsvermögen, dass sich vermutlich kein Mensch trauen würde, lediglich eine Tüte Milch und ein Päckchen Kekse einzukaufen. Die meisten schoben das panzerartige Gefährt entschlossen vor sich her wie
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