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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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unglaubliches Bild bot sich ihnen: Vom Fußboden waren nur noch Reste vorhanden, gesplitterte Balken ragten aus dem Mauerwerk. Unter dem Boden war eine tiefe Abtrittsgrube, und darin zappelten zahllose Menschen. Der Gestank war bestialisch. Fassungslos richtete Gottschalk den Blick nach oben; auch der Fußboden des oberen Geschosses war fast nicht mehr vorhanden. Offenbar war der Boden morsch gewesen und unter dem Gewicht der vielen Männer durchgebrochen, und der Boden des unteren Stockwerkes hatte unter den aufprallenden Körpern ebenfalls nachgegeben. Einzig in der gemauerten Fensternische der steinernen Außenwand war noch etwas vom Boden stehengeblieben, und dort war der Platz des Königs gewesen. Gottschalk erkannte ihn unter den wenigen Männern, die vom Sturz
in die Tiefe verschont geblieben waren und sich nun oben an die Fensterbrüstung klammerten, um nicht doch noch hinunterzufallen.
    »Rettet den König!« brüllte Gottschalk; »Holt Leitern und Seile, rasch!« In aller Eile wurde das Nötige aus den Ställen und Schuppen herbeigeschafft, die längste Leiter unter der Fensternische aufgestellt. Sie war aber immer noch viel zu kurz. Gottschalk kletterte hinauf, während seine Leute die Leiter festhielten, und warf dem König ein Seil zu. Beim dritten Wurf gelang es dem König, das Seil zu fangen, und er band es am Fensterstock fest. Dabei befand er sich fortwährend in Gefahr, doch noch abzustürzen. Dann stieg er aus dem Fenster und ließ sich am Seil herunter, bis er die Leiter erreichte. Als er wohlbehalten wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war er kreidebleich, krümmte sich und erbrach dann die ganze schöne Festmahlzeit.
     
    Inzwischen hatte man versucht, die Menschen aus der Kloake zu bergen. Es war inzwischen völlig dunkel geworden. Über Leitern kam man nicht hinab, denn sie fanden keinen Grund. Also banden sich Männer Seile um die Hüften, falls sie bei der Arbeit in dem durchdringenden Gestank ohnmächtig wurden, und ließen sich hinab. Sie retteten noch manche; aber dennoch lagen zum Schluß etwa sechzig Tote im Hof, die sich entweder beim Sturz in die Tiefe das Genick gebrochen hatten oder elend in der Abtrittsgrube ertrunken oder erstickt waren. Auch hatten nachfallende Balken und Steine noch mehrere Männer erschlagen oder verletzt.
    König Heinrich reiste sofort ab. Er vergaß dabei, sich bei Gottschalk für die Rettung zu bedanken.

1184
    S chau bitte noch einmal in meinen Schrein. Da muß noch ein Brief von Mathilde sein, mit einem grünen Band verschnürt. Hast du ihn? Ja, genau den meine ich. Mathilde schrieb ihn mir im Jahre des Herrn 1184. Hör zu, ich werde ihn dir vorlesen.
     
    »Mathilde, von Gottes Gnaden glückliche Ehefrau des Herzogs Heinrich, genannt der Löwe, und Mutter seiner Kinder, an Sophia Overstolz in Köln.
     
    Liebste Freundin, viel zu lange schon ist unser Kontakt unterbrochen. Da der Erzbischof von Köln gerade in England weilt, nutze ich die Gelegenheit und gebe seinem Sekretär einen Brief für dich mit.
     
    Das Wichtigste zuerst: Meinem Löwen, den Kindern und mir geht es gut. Gott hat uns einen weiteren Sohn geschenkt. Im April erblickte er glücklich in Winchester das Licht der Welt. Mein Vater hat getanzt vor Freude, ganz, als sei er selbst der Vater des Kindes, und hat das Neugeborene, mich, meinen Löwen und unsere anderen Kinder mit Geschenken überschüttet. Dann hat er bestimmt, das Kind solle Wilhelm heißen - wie Mutters Vater, der Herzog Wilhelm von Aquitanien. Wilhelm hieß aber auch der Herzog der Normandie, der das Königreich England eroberte und dessen Krone an sich riß.
    Vater hat noch immer große Schwierigkeiten mit seinen Söhnen, das macht ihm das Herz schwer, und er findet viel Trost im Umgang mit meinen Kindern. Weiß der Himmel, welchen Hintergedanken er hatte, als er so selbstherrlich den Namen meines Jüngsten bestimmte. Er hat doch wohl nicht im Sinn, ihn zum König von England zu machen? Jedenfalls
braucht er keine Sorge zu haben, daß dieses Kindlein in der Wiege ihn von seinem Thron stoßen will, ehe er selbst bereit ist, diesen zu räumen.
    Ich glaube indes nicht, daß es dazu kommen wird. Wie ich schon schrieb, weilt Erzbischof Philipp von Köln gerade hier. Er hatte meinen Vater um die Erlaubnis ersucht, eine Wallfahrt zum Grab des Thomas Becket zu machen. Dort trat er mit riesigem Pomp auf und betete so lange mit zum Himmel gerichtetem Blick, daß es auch den letzten Gaffern langweilig wurde. Ich muß dir

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