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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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murmelte er etwas von Geld geben, und fort war er, ich hörte nur noch die Haustüre zuschlagen.
     
    Ich blieb wie erstarrt sitzen und dachte nach. Dann hatte ich meinen Entschluß gefaßt. Mir war klar, daß es viel Gerede
geben würde, aber das mußte ich eben ertragen. Ich ging zu Gunhild, die inzwischen geduldig sämtliche Hosen meiner Söhne geflickt hatte, und teilte ihr mit, daß ich sie als Kindsmagd bei mir aufnehmen wollte, unter meinem persönlichen Schutz und gegen guten Lohn, falls dies ihr Wunsch war - und selbstverständlich mit ihrem kleinen Jungen.
    Gunhild schaute eine Weile stumm auf ihren herumkrabbelnden Sohn. Dann stellte sie leise fest: ›Er hat nicht nach dem Kind gefragt.‹
    Ich nickte. Es war so, es hatte keinen Zweck, es zu beschönigen.
    Da verblüffte Gunhild mich wieder. ›Er interessiert sich nicht für uns, meinen Waldemar und mich‹, sagte sie und holte tief Luft. ›Dann kann ich also bleiben.‹
    Und dann, ganz leise: ›Was sollte ich sonst machen? Ich habe ja keine Wahl.‹
    Und dabei blieb es. Gunhild zog nun mitsamt dem Kind auf den Dachboden zu den übrigen Dienstboten. Sie kümmerte sich um meine jüngeren Kinder, und der kleine Waldemar wurde sehr rasch der unzertrennliche Freund seines Halbbruders Gottschalk.
     
    Das von mir befürchtete Getratsche blieb aus. Die flüchtigeren Bekannten, die in unser Haus kamen, pflegten unsere Kinder nicht nachzuzählen und bemerkten offenbar nicht, daß zwischen der großen Kinderschar plötzlich ein weiteres herumlief. Die Verwandten hingegen, vor allem meine eigenen Eltern, waren nicht blind. Da aber die Mutter des überzähligen Kindes mit Gottschalks Gesicht mir mit offensichtlicher Hingabe diente, ich hingegen nicht den kleinsten Kommentar dazu abgab, erlaubten auch sie sich keine Bemerkung. Gottschalks Mutter war seit geraumer Zeit bettlägerig und suchte uns daher nicht mehr auf, sein Vater lebte damals schon nicht mehr. Nur sein Bruder Regenzo
kam, der unbeschwerte und nicht allzu tiefsinnige Regenzo. Als er Waldemar sah, gingen seine Augenbrauen in die Höhe, und er setzte an:
    ›Aber er sieht ja genauso aus wie …‹
    ›Ja!‹ unterbrach ich ihn mit sehr lauter Stimme und schaute ihm fest in die Augen. Da zog mein Schwager den Kopf ein, und wechselte sofort das Thema. Er kam nie wieder darauf zurück, hatte aber, wenn er uns besuchte, meistens eine Kleinigkeit für Waldemar in seiner Tasche.
    Eine Idylle? Nicht ganz. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, hatte Gottschalk das eheliche Schlafgemach verlassen. Er schlief ab sofort in dem winzigen Kämmerlein nebenan, tat aber des Tags über, als sei alles in bester Ordnung. Wenn Gunhild es nicht vermeiden konnte, seinen Weg zu kreuzen, gab er sich den Anschein, als ob er sie noch niemals gesehen hätte. Sie grüßte dann höflich, aber mit niedergeschlagenen Augen, und eilte rasch davon. Falls Gottschalk sich jemals den kleinen Waldemar anschaute, dann vermied er sorgfältig, dies etwa vor meinen Augen zu tun.
     
    So, nun weißt du es. Und der Brief endet darum so plötzlich und ohne Gruß, weil ich mich entschlossen hatte, ihn nicht abzuschicken.
    Und nun begreifst du auch, warum zwischen Gottschalk und meinem nächsten Kind, deiner Schwester Margarete, eine so große Lücke klafft. Woher hätte auch ein Kind kommen sollen, wenn Gottschalk unser Schlafgemach nur betrat, um sofort durch die Tür des Kämmerchens zu entschwinden? Und ich lag allein in dem großen Bett und weinte oft in die Kissen - so leise, daß er es nebenan nicht hören konnte. Ich vermißte ihn sehr und sehnte mich danach, in seinen Armen zu liegen; aber ich war auch zu stolz, um den ersten Schritt zu ihm hin zu tun. Was hatte ich schließlich verbrochen, daß ich gestraft werden mußte?

    Dieser Zustand dauerte ein gutes Jahr an, und mir schien schon, dies sei nun für immer so. Ich glaubte, dies sei unser von niemand im Haus entdecktes Geheimnis geblieben, aber irgend jemand muß etwas gemerkt und es meiner Mutter zugeflüstert haben. Sie fragte mich nämlich eines Tages ganz harmlos, ob ich Gunhild für zwei Stunden entbehren könne, sie bräuchte deren Hilfe. Das wiederholte sich in der nächsten Zeit. Ich dachte mir nichts dabei, stellte aber fest, daß Gunhild einerseits etwas zerstreut wirkte, andererseits aber aufblühte. Und dann stand eines Tages meine Mutter mit einem Mann vor unserer Tür, den ich flüchtig kannte. Es war ein Schneidermeister aus der Markmannsgasse, und er trug offenbar

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