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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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seinen besten Anzug.
    »Du kennst Meister Hermann?« stellte Mutter ihn vor. Ich nickte und hieß ihn willkommen.
    »Nehmt Platz, Meister Hermann«, sagte ich zu ihm. »Was kann ich für Euch tun?«
    Er bemerkte, daß er noch den Hut auf dem Kopf hatte, nahm ihn hastig ab und knetete ihn in den Händen.
    »M- meine G-Geschäfte gehen g-gut. Ich habe v-v-viele Kunden«, erklärte er. Ich nickte freundlich, war aber etwas befremdet.
    »M-mein W-weib -« setzte er wieder an, aber da kamen ihm die Tränen, er wischte sie mit dem Handrücken weg und schniefte leise.
    »Seine Frau ist leider vor kurzem gestorben, Gott schenke ihr den ewigen Frieden. Sie war eine meiner Gürtelmacherinnen und eine sehr brave Frau«, erklärte Mutter.
    »M-meine K-kinder …« wollte Meister Hermann fortfahren, aber wieder flossen seine Tränen so reichlich, daß er nicht sprechen konnte.
    »Sie hat drei kleine Mädchen zurücklassen müssen«, half Mutter abermals aus und sah mich erwartungsvoll an. Leider begriff ich nicht, um was es ging.

    »K-könntet Ihr die Dienste Eurer M-magd Gunhild v-vielleicht e-e-entbehren?« brachte Meister Hermann mit sichtlicher Mühe heraus.
    Endlich glaubte ich zu verstehen. »Ihr wollt Gunhild als Kindsmagd anstellen!« rief ich. Aber Meister Hermann schüttelte empört den Kopf.
    »Ich b-bin ein f-f-fleißiger Mann und k-kann eine Familie ernähren«, fügte er erklärend hinzu. Leider verstand ich noch immer nicht, um was es ging, aber er sagte nichts mehr und blickte hilfesuchend zu meiner Mutter.
    Sie sah den Schneidermeister aufmunternd an, aber er schwieg und lächelte nur verlegen. Der Hut in seinen Händen war inzwischen in einen betrüblichen Zustand geraten.
    »Nur heraus damit, Meister Hermann«, machte Mutter ihm Mut, aber da er den Mund nicht mehr aufbrachte, erklärte sie:
    »Meister Hermann ist ein tüchtiger und freundlicher Mann; er möchte gern deine Magd Gunhild heiraten. Ich bin sicher, daß sie es gut bei ihm haben wird.«
    Endlich begriff ich und schämte mich, daß mir der Gedanke gar nicht gekommen war, ein Handwerksmeister könne ein Mädchen mit einem Sündenkind zur Frau wollen. Darum fragte ich noch zögernd:
    »Und der kleine Waldemar? Soll er bei uns bleiben?«
    Aber da richtete Meister Hermann sich empört auf. »Selbstverständlich bleibt er bei seiner Mutter. Wie könnte man es Gunhild antun, sie von ihrem Kind zu trennen? Ich werde ihn als meinen eigenen Sohn annehmen«, erklärte er mit fester Stimme und ganz ohne zu stottern.
    Ich schämte mich nochmals, weil ein Schneidermeister Ehre und Mitgefühl zeigte, wo der Kaufherr Gottschalk Overstolz völlig versagt hatte. Dann dämmerte es mir, daß dies offenbar alles hinter meinem Rücken bereits abgesprochen war.

    »Nun, dann wollen wir Gunhild fragen, was sie dazu meint«, sagte ich und ging zur Tür, um sie zu rufen. Aber als ich öffnete, tat es einen Rumms und einen leisen Aufschrei. Gunhild hatte mit dem Ohr am Schlüsselloch gelauscht und die Tür an den Kopf bekommen.
    Sie rieb sich die Stirn, als sie hereinkam, und wir lachten alle. Es stellte sich heraus, daß Mutter Gunhild schon mehrere Male unter verschiedenen Vorwänden mit zu dem Schneidermeister genommen hatte und die beiden sich bald einig geworden waren.
     
    Gottschalk befand sich damals auf einer Handelsfahrt von mehreren Monaten und erfuhr nichts davon. Meister Hermann bestand darauf, daß die Hochzeit in seinem eigenen Haus gefeiert werden sollte, und holte Gunhild am Hochzeitsmorgen mit großem Gefolge aus der Schneiderinnung bei mir ab. Ihr wurden alle Ehren zuteil, die einer Braut gebühren; nur das Kränzlein durfte sie nicht tragen, hatte der Pfarrer ihr bedeutet. Aber Mutter gab ihr ein ebenso schönes und kostbares Haarband als Schmuck, wie vor langer Zeit die Prinzessin Mathilde es von uns erhalten hatte.
    Ich ließ es mir nicht nehmen, Gunhild eine ordentliche Aussteuer mitzugeben, damit sie nicht mit leeren Händen zu Meister Hermann gehen mußte. Daß wir in Zukunft die meisten unserer Kleider nur bei ihm nähen lassen würden, stand für mich fest. Darüber hinaus wollte Gunhild aber in der Folgezeit nie wieder etwas als Geschenk von uns annehmen, auch nicht in mageren Zeiten. Und als Waldemar heranwuchs und ich anfragte, ob ich mich nach einer Lehrstelle als Kaufmann für ihn umsehen sollte, da wehrten Hermann und Gunhild nachdrücklich ab. Er sollte ein Schneider werden und damit zufrieden sein.

    Ja, du hast es längst begriffen, meine

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