Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Tochter: Ich erzählte dir gerade die Geschichte unseres guten alten Schneidermeisters und seiner Familie. Nachdem Gunhild ihm noch zwei weitere Töchter geschenkt hat, ist Waldemar sein einziger Sohn geblieben. Er ist zur Zeit auf Wanderschaft und wird, so Gott will, zur rechten Zeit wohlbehalten nach Köln zurückkehren und das Handwerk seines Adoptivvaters weiterführen.
Gunhild hat übrigens nicht zugelassen, daß Waldemar noch einmal unser Haus betreten hat. Er war ja damals noch sehr klein und hat die Zeit bei uns längst vergessen. Ich hingegen bin oft bei ihr gewesen und habe sein Aufwachsen mit Anteilnahme verfolgt. Er sieht seinem Halbbruder Gottschalk heute nicht mehr so ähnlich wie als kleines Kind. Das mag auch daran liegen, daß er vom Wesen her ganz anders ist; er ist sanft und ruhig, während Gottschalk das feurige Temperament seines Vaters geerbt hat, wie du weißt.
Wie es bei uns dann weiterging? Als Gottschalk zurückkam und bemerkte, daß Gunhild und Waldemar nicht mehr in unserem Hause waren, zog er wieder in unser eheliches Schlafgemach, als sei gar nichts geschehen. Er hat niemals nach den beiden gefragt, und so habe ich zu ihm auch nicht von ihnen gesprochen. Wir lebten wieder zusammen als Mann und Frau, aber es war nichts mehr so, wie es vorher gewesen war. Ich hatte keine Freude in seinen Armen, und ich wurde auch nicht schwanger.
Für meine Mutter war die Angelegenheit aber noch nicht abgeschlossen. Nach einigen Monaten kam sie darauf zu sprechen.
»Mir fällt auf, daß zwischen dir und deinem Mann nicht mehr der herzliche Ton herrscht wie früher. So geht das nicht, Sophia. Du mußt ihm verzeihen.«
Ich fuhr auf.
»Habe ich ihm etwa Vorwürfe gemacht wegen seiner Untreue? Habe ich nicht alles getan, um die Folgen seiner schändlichen Gleichgültigkeit und Gewissenlosigkeit wieder gutzumachen?« fragte ich empört.
Aber meine Mutter schüttelte mit Bestimmtheit den Kopf.
»Das genügt nicht, Sophia. Auch sein häßliches Verhalten mußt du ihm verzeihen, denn es kommt daher, daß er schwächer ist, als er zugeben könnte. Wir haben alle unsere Fehler, und jeder von uns ist ein armer Sünder, der Gottes Gnade und Vergebung braucht. Und darum müssen wir uns auch gegenseitig verzeihen. Nimm dich jetzt also gefälligst zusammen, und höre auf, dich in deiner Gerechtigkeit zu sonnen.«
Mir klingen noch heute die Ohren, wenn ich mich an diese strengen Worte meiner Mutter erinnere. Damals sprang ich auf, rannte hinaus und schlug die Tür hinter mir heftig zu. Aber zwei Tage später ging ich zu ihr und dankte ihr, weil sie mich dazu gebracht hatte, über mich selbst hinauszuwachsen. Und ganz allmählich wurde es wieder gut zwischen Gottschalk und mir.
Eine grausige Geschichte aus dem Jahr 1184 möchte ich dir noch erzählen. Gottschalk war mit einer großen Ladung Waffen nach Osten gereist, mit mehreren Mitgliedern unserer Sippe und einer Menge Knechte, denn die Zeiten waren unsicher. Er lieferte die Waffen an König Heinrich, Barbarossas Sohn, der einen Feldzug nach Polen unternehmen wollte. Gottschalk reiste also nach Erfurt, dort sollte im Juli ein kurzer Hoftag stattfinden. Nachdem der Löwe gestürzt war, rissen sich die übrigen Großen wie die Wölfe um einen möglichst großen Anteil aus dessen Besitz. Es gab pausenlos Streit, diesmal zwischen dem Erzbischof von
Mainz und dem Landgrafen von Thüringen. Den wollte der König in Erfurt schlichten.
Gottschalk hatte seine Waffen abgeliefert und den zugesagten Preis vom Kämmerer erhalten. Zufrieden saß er mit seinen Männern im Hof der Dompropstei. Der Abend war warm, und das letzte Tageslicht der untergehenden Sonne vergoldete die Mauern. Aus der Küche drangen verlockende Düfte, und Gottschalk wartete, daß der König und die hohen Herren, die sich in großer Anzahl im oberen Stockwerk versammelt hatten, mit ihrer Mahlzeit fertig waren und die geringeren Leute, zu denen auch die Kaufleute zählten, auch ihren Teil bekamen. Gottschalk unterhielt sich mit einem Knecht über den entzündeten Huf eines Pferdes und wie man ihn am besten behandelte. Plötzlich hörte man ein lautes Krachen. Gottschalk blickte hoch und sah ungläubig durch die dem Hof zugewandten Fenster, wie Menschen nach unten stürzten. Es folgte ein weiteres Krachen, und dann lautes Geschrei. Die Leute, die im Hof gesessen hatten, rannten zu dem Gebäude hin, und Gottschalk mit ihnen. Die Türen standen weit offen, und gellendes Geheul empfing sie. Ein
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