Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
kamen tatsächlich etwa viertausend Ritter nach Köln! Die Stadt platzte aus allen Nähten, und die Bürger schliefen auf den Dachböden und vermieteten ihre Schlafzimmer für ein enormes Geld. Selbst das kleinste Kämmerlein brachte noch stattliche Summen. Meine Familie machte das allerdings nicht, wir hatten so viel Verwandtschaft unter dem kleinen Adel, daß wir schon Mühe hatten, sie alle bei uns unterzubringen - ohne Miete natürlich.
Damit leistete sich unser Erzbischof eine eindeutige Demonstration gegen den Kaiser. Es konnte einem Angst und Bange werden dabei, denn wir glaubten nicht, daß Philipp dem gewieften Kämpfer und Politiker Friedrich Barbarossa gewachsen war.
Nun habe ich dir sehr viel von der Geschichte berichtet; damals war mir dies alles natürlich bei weitem nicht so klar wie heute. Viele Dinge erscheinen aus größerem Abstand viel deutlicher als aus der Nähe, oder man erfährt erst später Einzelheiten, welche Bruchteile zu einem erkennbaren Bild zusammenfügen.
Uns Kölner bereiteten die Differenzen zwischen unserem Erzbischof und dem Kaiser übrigens so manche schlaflose Nacht. Wir sahen, daß der Erzbischof große Mengen an Lebensmitteln in die Stadt schaffen ließ und seine Truppen bis an die Zähne bewaffnete. Sofort sprach ganz Köln davon, daß Herr Philipp offensichtlich mit einer Belagerung der Stadt durch den Kaiser rechnete - ein Gedanke, der uns nicht im geringsten gefiel. Hatte der Erzbischof noch vor wenigen Jahren die Kölner gerügt, weil sie eigenmächtig die Befestigungsanlagen verstärkt hatten, so ließ er jetzt selbst
die Gräben vertiefen, die Wälle erhöhen, die Tore ausbessern. Wir erfuhren auch, daß der Kaiser jetzt über »diesen Kölner Pfaff« grollte - bisher hatte er ihn stets »unser geliebter Philipp« genannt.
Weißt du, meine Tochter, ich hatte damals schreckliche Angst davor, daß der Kaiser unsere Stadt belagern könnte. Wir Bürger würden in die Verteidigung einbezogen, müßten nachts auf den Mauern Wache halten, Verteidigungsmaterial bereitstellen und bei längerer Belagerung wohl hungern müssen. Gelänge es dem Kaiser, die Stadt zu erobern, so wären wir hilflos den plündernden und mordenden Soldaten ausgeliefert. Ich erinnerte mich, wie sich Mathilde eigenhändig im Schwertkampf geübt hatte, um in die Verteidigung der von ihr verwalteten Stadt gegen Barbarossa eingreifen zu können. Ich selbst hatte aber eher das Bedürfnis, mich und meine Lieben in Sicherheit zu bringen, und zerbrach mir den Kopf, ob ich einen versteckten Kellerraum unter dem Garten anlegen sollte. Aber hätte man dort auch genug Luft? Dann überlegte ich, einen Teil des Dachbodens mit einer Wand abzutrennen. Aber wenn das Haus angezündet würde?
Oder was könnte sonst noch an schrecklichen Dingen geschehen?
Bald darauf ließ der Kaiser im ganzen Land wissen, daß er ein Bündnis mit König Philipp August von Frankreich geschlossen hatte. Uns war klar, daß dieses sowohl gegen den englischen König wie auch gegen unseren Erzbischof gerichtet war, und meine Angst wuchs, so daß ich nachts nicht mehr schlafen konnte.
Die Lage spitzte sich zu, niemand konnte vorhersehen, wohin das noch führen würde. Der Kaiser erfuhr natürlich von den Aufrüstungen in Köln und griff zu einer rigorosen
Maßnahme: Er ließ den Rhein oberhalb unserer Stadt sperren! Damit traf er unseren Lebensnerv. Über den Strom bezogen wir unseren Wein, und, schlimmer noch, unser Getreide. Und unser Handel war damit auch weitgehend lahmgelegt. Anschließend setzte der Kaiser einen Reichstag in Worms fest und lud Erzbischof Philipp dorthin. Er beschuldigte ihn und die Kölner, daß sie Barbarossa verdächtigten, er plane einen Übergriff gegen sie. Ja, Angriff ist manchmal die beste Verteidigung.
1188
A llerdings erschien Philipp nicht bei diesem Reichstag, auch nicht bei den folgenden. Der Krieg schien nun unmittelbar bevorzustehen, aber da starb zum Glück (jedenfalls für uns Kölner) der Papst, auf den unser Erzbischof gebaut hatte, und damit löste sich die Opposition gegen den Kaiser in Luft auf. Vielleicht hätte sich jetzt auch Herr Philipp gern in Luft aufgelöst, da das aber nicht möglich war, blieb ihm nur der bittere Weg der Unterwerfung. Auf dem Hoftag in Mainz im Jahre 1188 lag Erzbischof Philipp im Staub vor des Kaisers Thron, so wie vor einigen Jahren der Löwe. Damals hatte Philipp noch triumphiert und mit gierigen Händen die Beute aus Heinrichs Besitz an sich
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