Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
aufraffen konnte, nahm der ehrwürdige Greis Konrad von Mainz das Wort. Er äußerte die Ansicht, der Kaiser fühle sich zu Recht vom Heiligen Vater beleidigt, und niemand bedauere dies mehr als er. Er schlug vor, alle Bischöfe gemeinsam sollten ein Schreiben an den Papst in Verona verfassen mit der Bitte, dieser möge seinen Frieden mit dem Kaiser machen, damit die deutschen Kirchenfürsten nicht darüber entscheiden müßten, ob sie dem Kaiser oder aber dem Papst gehorchen sollten.
Und so geschah es. Woher ich das alles weiß, obwohl ich doch nicht dabei gewesen bin?
Ja, meine Tochter, bei einer solchen hochoffiziellen Versammlung sind nicht nur die hohen Herrschaften anwesend, deren Namen dann im Protokoll verzeichnet sind. Niemand spricht von den vielen Schreibern, welche dieses Protokoll führen, und von den Dienern, die schweigend ein und ausgehen und die Anwesenden mit Erfrischungen versorgen. Aber auch diese haben Augen und Ohren. Wer ein paar
Münzen springen läßt, kann alles erfahren, was er will, und mein Vetter Constantin hatte diese Münzen immer übrig. Es konnte lebensrettend für uns Kaufleute sein, über die Querelen unseres eigenen Erzbischofs genau informiert zu sein und auch darüber, wieviel Macht und Einfluß er hatte oder nur zu haben glaubte.
Für etliche weitere Geldstücke erfuhr er auch noch dies: Papst Urban hatte die deutschen Verhältnisse völlig verkannt und mit einem sicheren Sieg des Kölners gerechnet. In reichlicher Überheblichkeit hatte er bereits einen Befehl an den Kaiser abgesandt, er möge sich mitsamt seinem Sohn König Heinrich in Verona einfinden, um sich vor dem Heiligen Vater zu rechtfertigen; er hatte schon seine willigen Kardinäle beschließen lassen, den Kaiser als Ketzer zu verdammen, als der Brief der deutschen Bischöfe aus Gelnhausen in Verona eintraf.
Der Tod hinderte Papst Urban daran, den Kaiser mit dem Bann zu verfluchen.
1187
A n dieses Jahr erinnere ich mich noch mit Grauen, weil ein entsetzliches Verbrechen geschah. Am 17. Februar tötete ein Jude in Neuß ein christliches Mädchen. Ein Aufschrei der Wut ging durch die Stadt. Der Täter wurde gefaßt, er und einige weitere Juden wurden erschlagen und aufs Rad geflochten.
Constantin hat, um unseres Großvaters willen und auch für seine ehemals jüdische Ehefrau, Nachforschungen angestellt und folgendes erfahren: Der Täter, der als »wahnsinnig« bezeichnet wurde, war ein geistesgestörter Mann gewesen, der von seinen Angehörigen daheim gehalten und bewacht
wurde. Dieses Mal aber war es ihm gelungen, ihnen zu entwischen und das Haus zu verlassen. Neugierig, aber auch verstört hatte er eine Weile an einer Ecke gestanden und das lebhafte Treiben von herumeilenden Menschen beobachtet. Ein Mädchen, blond, hübsch und gut gekleidet, war ihm aufgefallen, und er war ihm nachgegangen. Schließlich hatte er es angesprochen - so wie er eben sprach. Das Mädchen hatte sich vor seinem stechenden Blick und seiner unverständlichen Sprache gefürchtet und angefangen zu schreien. Das hatte der Jude nicht vertragen und es am Hals gepackt und gewürgt. Seine Hände waren so stark, daß er ihr schon das Genick gebrochen hatte, als man ihn von ihr fortriß. Dies alles war in aller Öffentlichkeit geschehen, aber so rasch, daß das Leben des armen Mädchens nicht gerettet werden konnte.
Ich kann die Reaktion der wütenden und verständnislosen Menge ja verstehen, die den Mörder auf der Stelle erschlug. Daß die Leute dann aber nach weiteren Juden suchten, die mit dem Verbrechen nicht das geringste zu tun hatten, und sie ebenfalls umbrachten, war ein klarer Rechtsbruch und nicht gerechtfertigte Grausamkeit.
Daß allerdings unser Erzbischof diese schrecklichen Vorkommnisse zum Anlaß nahm, die übrigen Juden mit einer Buße von hundertzwanzig Silberstücken zu belegen, kann ich eigentlich nur als Räuberei ansehen. Ebenso, daß er und mehrere Grafen unserer Gegend Vermögen bei Juden konfiszierten, die gar nicht in Neuß lebten.
Alles, was Constantin erreichen konnte, war die großmütige Genehmigung des Erzbischofs an die Juden, die Leichen der Ihrigen von den Rädern abzunehmen - am 28. März, als sie schon verfault waren, und auch diese Genehmigung mußte noch erkauft werden. Oh, christliche Barmherzigkeit!
Übrigens hielt Herr Philipp zu dieser Zeit in Köln eine Synode ab, die eher wie ein Hoftag wirkte. Er hatte alle seine Suffraganbischöfe und den gesamten Adel seiner Länder einberufen. Es
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