Die Tuchhaendlerin von Koeln
Meine Mutter ist enttäuscht und verbittert, weil mein Vater ständig neue Frauengeschichten hat. Sie ist ja eine Frau von großartiger Haltung, aber in ihrem Herzen tut es ihr weh, daß er sie nicht mehr liebt und verehrt wie in früheren Jahren. Und meine Brüder stehen auf ihrer Seite und lehnen sich gegen den Vater auf. Ich mag gar nicht daran denken, was daraus noch werden kann.«
»Reg dich nicht auf. Denk an dein Kindchen!« sagte ich beschwörend.
»Ach, ja.«
Wir kamen an einen Bach, über den ein Steg führte. Ich nahm Mathilde bei der Hand, damit sie nicht etwa ausrutschte und ins Wasser fiel.
»Du wolltest mir noch etwas über deinen Mann erzählen?« fragte ich besorgt.
»Er ist unverändert lieb zu mir, das ist es nicht. Und er freut sich so sehr auf das Kind. Wußtest du, daß er schon einmal einen Sohn gehabt hat? Clementia hatte ihm als erstes Kind einen kleinen Heinrich geschenkt. Er starb als Säugling, nachdem er vom Tisch gefallen war. Clementia ließ die
Amme, die auf ihn hätte achten sollen, bei Nacht und Nebel fortschaffen, mit etwas Geld versehen, sie sollte sich nach Zähringen durchschlagen, damit Heinrich sie nicht in seinem Grimm erschlagen würde. Aber als er von dem Unglück erfuhr, wütete er nicht, sondern ging nur in die Kapelle, weinte und betete für das Seelenheil des Kindes. Vermutlich dachte er, es könnten ja noch viele Söhne kommen, aber Clementia gebar zwei Töchter und dann kein Kind mehr.
Du hättest meinen Löwen sehen sollen, als er aus Jerusalem nach Hause kam. Als er mich zurückgelassen hatte, war ich ja schwanger. Er hatte es so eilig, daß er ganz kurz nach dem Boten eintraf, der ihn ankündigen sollte, und ich war noch nicht fertig damit, mich für ihn schönzumachen. Er riß mich in seine Arme und küßte mich viele Male. Dann wandte er sich zu der Wiege, hob das Kind heraus, lief mit ihm hinunter in die Halle, zeigte es allen seinen Leuten und rief: »Ich erkenne dieses Kind als meine liebe Tochter an.« Dann kam er zurück, fragte nach der Amme, drückte ihr die Kleine in den Arm und sagte, die nächste Stunde wolle er ungestört sein.«
Ich wartete. Mathilde drückte unruhig ihre Hände.
»Eigentlich wollte ich etwas anderes sagen. Ich mache mir Sorgen um meinen Löwen, aber ich kann nicht genau sagen, warum. Es ist eher so ein Gefühl, daß sich etwas gegen uns zusammenbraut.
Du hast mir schon damals in England einiges über die Welfenfamilie berichtet; als mein Löwe das letzte Mal den schwäbischen Besitz der Welfen besucht hat, war er auch in Kloster Weingarten, das ist unser Hauskloster. Er brachte Kunibert mit, einen alten Mönch, der sich sein Leben lang mit der welfischen Geschichte beschäftigt hat. Er soll nun seine letzten Lebensjahre bei uns in Dankwarderode verbringen und mich und die Kinder darin unterrichten. In einer schwachen Stunde hat Kunibert mir verraten, daß
er froh ist, nach Jahrzehnten im Kloster nun nicht mehr dort sein zu müssen. In seinem Alter wurde es ihm höchst beschwerlich, nachts zur Matutin aufzustehen, und die vielen Andachtsübungen ließen ihm nicht soviel Zeit zum Studium der alten Folianten, wie er es sich gewünscht hätte. Er packte also zahllose Bücher in viele Kisten und schaffte sie hierher. Sein Abt hat dagegen protestiert, er sah weder den gelehrten Kunibert noch die wertvollen Schriften gern aus seinem Kloster entschwinden, konnte sich aber nicht gegen Heinrichs Befehl durchsetzen und mußte Kunibert entlassen. Nun hat der Alte hier eine gut geheizte Stube und ein Archiv, in dem er seine Zeit vom Morgen bis zum Abend verbringt. Ich besuche ihn dort oft, und er öffnet bereitwillig die Schleusen seiner Beredsamkeit und seiner Kenntnisse.
Wußtest du zum Beispiel, daß schon Kaiser Ludwig der Fromme nach dem Tod seiner ersten Gemahlin eine Welfin geheiratet hat, die schöne und kluge Judith? Und ihre Schwester Hemma wurde die Gemahlin von dessen Sohn, König Ludwig. Das Haus der Welfen gehört also schon seit vielen hundert Jahren zu den ersten Familien des Reiches. Mein Löwe ist aber wohl der größte und mächtigste Vertreter seines Hauses; wer kommt ihm gleich, außer dem Kaiser? Kein Wunder, daß er Neider hat und immer hatte. Bisher war er sich stets einig mit Herrn Friedrich. Er hat ihm mit seinen schwäbischen Rittern das Leben gerettet, als der römische Mob den Kaiser nach seiner Krönung erschlagen wollte, und ihn immer treu unterstützt.
Dafür war der Kaiser ihm dankbar und hat ihm
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