Die Tuchhaendlerin von Koeln
zögerte. Aber Mutter fuhr fort:
»Und jetzt, wo dir morgens nicht mehr übel ist und du auch noch kein größeres Gewicht mit dir herumschleppst, ist die beste Zeit, einmal hier herauszukommen. Hast du erst einmal wieder ein Kindchen in der Wiege, kannst du deine Reisepläne getrost vergessen.«
Damit hatte sie natürlich recht.
»Und es würde dir nicht zuviel?« fragte ich höflichkeitshalber.
»Wenn die Kinder mir zu anstrengend werden, kann ich sie auch für ein paar Stunden zu Engilradis schicken. Sie kann gut jemand gebrauchen, der mit den Katzenkindern spielt, nun, wo Großvater nicht mehr da ist.«
Es war verlockend. Ich sprach mit Gottschalk darüber, und er freute sich sichtlich. Und so ergab es sich, daß ich zum zweiten Mal die Reise nach dem fernen Braunschweig antrat. Es war an der Grenze zwischen Winter und Frühling, und es lag nicht mehr allzuviel Schnee. Wir brachen immer schon vor dem Morgengrauen auf und machten erst Rast, wenn die Sonne die Wege aufgeweicht hatte. An trüben Tagen konnten wir unsere Fahrt bis zum Dunkelwerden fortsetzen. Als wir in das Gebiet Herzog Heinrichs kamen, stellte ich fest, daß er seine Straßen außerordentlich gut instand halten ließ. Vor Raubüberfällen brauchte man hier keine Angst zu haben, nachdem Herr Heinrich ein paar Dutzend Strauchdiebe kurzerhand hatte aufknüpfen lassen. Es gab auch ausreichend Gasthäuser und Marktplätze; nicht ein einziges Mal mußten wir unter freiem Himmel nächtigen. Dafür war ich sehr dankbar, denn ich erinnerte mich noch gut an den Überfall des Räubers und die Ohrfeige, die ich damals von Gottschalk kassiert hatte.
Aber natürlich hätte er mich jetzt nicht mehr geohrfeigt. Im Laufe unserer Ehe war es mir doch noch gelungen, ihm Respekt vor mir beizubringen.
Als wir in Braunschweig ankamen, hatte der Frühling endgültig über den Winter gesiegt. Überall sprossen die ersten Frühjahrsblumen, es tropfte von allen Bäumen, die Vögel sangen. Ich fühlte mich sehr froh, als wir zu den Toren Braunschweigs kamen. Gottschalk überließ es Theoderich, für uns Quartier im Handelshof zu beziehen, und machte
sich sofort auf den Weg zur Burg, um unsere Ankunft zu melden und beim Kämmerer einen Termin beim Herzog zu erbitten.
Nun erinnerte sich der Kämmerer aber noch genau an unseren Besuch vor vier Jahren.
»Ich muß Eure Ankunft sofort der Frau Herzogin melden«, erklärte er. »Sie würde mir sehr zürnen, wenn ich Euch wieder gehen ließe.«
Mathilde empfing Gottschalk sehr erfreut. Als sie hörte, daß ich mitgekommen war, schalt sie ihn aus, weil er mich nicht sofort zu ihr gebracht hatte, und bestand darauf, daß er mit mir in der Burg wohnen sollte.
Ich war froh, daß ich mich in der Zwischenzeit hatte umkleiden und kämmen können; ich weiß nicht, was Mathilde davon gehalten hätte, mich in meiner üblichen Männer-Reisekleidung zu sehen. Sie als Fürstin wäre natürlich nie in eine Lage gekommen, wo eine solche Vermummung nötig gewesen wäre.
Sie hatte sich verändert, war noch einmal eine halbe Handbreit gewachsen und eine erwachsene Frau geworden. Jetzt erinnerte sie mich an ihre Mutter, die Königin Eleonore, und ich sank in einen Knicks zur Begrüßung.
»So etwas wollen wir gar nicht erst anfangen, Sophia«, sagte Mathilde in der munteren Art, die sie auch früher gehabt hatte. »Eine einzige Freundin, bei der ich nicht die Fürstin spielen muß, werde ich ja wohl noch haben dürfen. Los, aufstehen. Umarme mich gefälligst, oder ich werde denken, daß du mich nicht mehr gern hast.«
Da erhob ich mich und schloß sie herzlich in die Arme. Sie war hochschwanger, und das freute mich sehr.
Sie lachte und tätschelte sich den Bauch. »Du kommst rechtzeitig, um mir beizustehen«, sagte sie fröhlich. »Glaube nur nicht, daß ich dich weglasse, ehe mein Kind geboren ist.«
Dann ließ sie die kleine Prinzessin Richenza holen, ein niedliches kleines Mädchen mit den üppigen schwarzen Locken und dunklen Augen des Herzogs.
»Ach, wie gern hätte ich eine so bezaubernde kleine Tochter!« rief ich.
»Ach, wie gern hätte ich einen Sohn, und du hast schon drei!« erwiderte Mathilde prompt. Als sie hörte, daß auch ich wieder in der Hoffnung war, freute sie sich sehr.
Ich mußte es dann den Männern überlassen, die Waren zu verkaufen, mit denen unsere Wagen aus unserem Handel und aus den Beständen meiner Eltern und Engilradis’ beladen waren, denn Mathilde ließ mich nicht von ihrer Seite. Also ließ ich
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