Die Tuchhaendlerin von Koeln
Geld wieder einmal knapp. In absehbarer Zeit war darum an einen Umbau unseres Hauses nicht zu denken.
Neugierig, wie ich bin, wollte ich die Maurer, Ofensetzer und Schreiner ausfragen, wer sich denn da ein so komfortables Heim errichtete, aber ich bekam keine Antwort. Dabei hätte ich wirklich gern gewußt, wer mein nächster Nachbar sein sollte. Als das Haus schließlich fertig war, kamen meine Eltern eines Morgens zu mir. Ich hatte gerade meine Kinderschar in Fordolfs Schule geschickt und spielte noch etwas mit meinem Jüngsten, ehe die tägliche Arbeit in Angriff genommen werden mußte. Mutter nahm den kleinen Gottschalk in die Arme, und Vater führte mich zu der Ofenbank.
»Setz dich, Sophia«, sagte er. Ich wunderte mich; meine Eltern lächelten sich gegenseitig an, und die Vorfreude stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Eine Überraschung, Sophia«, sagte Vater und legte einen Schlüssel auf den Tisch. Ich verstand noch nicht.
»Das Nachbarhaus habe ich für dich gekauft, liebste Tochter. Du mußt nur noch ein oder zwei Türen durchbrechen. Nun hast du endlich Platz für all deine Kinder, und auch für die, welche noch kommen, so Gott will.«
Mir traten die Tränen in die Augen, Tränen der Freude und der Dankbarkeit gegenüber meinen Eltern.
Wie bitte? Du willst endlich wissen, wie es mit Mathilde und ihrem Löwen weiterging?
Ich soll nicht beleidigt sein? Für mich war dieses neue Haus, welches das Anwesen meiner Eltern und unseres zu einer Einheit verband, ungeheuer wichtig. Es bedeutete den Aufstieg, wenn du verstehst, was ich meine. Freilich, du als mein jüngstes Kind bist ja schon im Wohlstand geboren und
hast nicht miterlebt, wie dein Vater und ich hart um unseren Platz ganz oben in der Bürgerschaft gerungen haben. Denn in Köln war es schon immer so: Hast du was, dann bist du was. Es kann kein Zufall sein, daß mein Gottschalk, bald nachdem meine Eltern uns dieses überaus großzügige Geschenk gemacht hatten, zum Ratsherrn bestimmt wurde - eine Würde, nach der er sich schon seit Jahren gesehnt hatte.
Aber gut, lassen wir eben die Angelegenheiten unserer eigenen Familie beiseite, wenn sie dir nicht wichtig genug erscheinen.
Ich habe Mathilde lange Zeit nicht wiedergesehen. Die wildesten Gerüchte gingen durch das Land über den Machtkampf zwischen Kaiser Friedrich und seinem Vetter, dem Löwen; aber ich glaube, daß ich besser Bescheid wußte als die meisten, denn Mathilde hat mir immer wieder lange Briefe geschrieben. Hier, nimm diesen Schlüssel und schließe den Schrein auf, in dem ich meine Kostbarkeiten aufbewahre. Das Schloß klemmt? Drücke fest gegen die Tür und versuche es noch einmal. Na, so geht es doch. Nun öffne den kleinen Ebenholzkasten. Ja, dieses Bündel sind Mathildes Briefe. Gib her, ich lese dir vor.
Die Rührung überkommt mich, wenn ich ihre zierliche, geschwungene Handschrift sehe. Meine Mathilde, meine Freundin. Sie hat an mich gedacht in den wechselvollen Umständen, die ihr das Leben damals aufgenötigt hat, und auch ich denke noch sehr oft an sie, besonders jetzt, wo ich damit rechnen kann, sie schon bald in der himmlischen Herrlichkeit wiederzusehen.
Hier ist der erste Brief aus dieser Zeit. Ich erhielt ihn, kurz nachdem wir das große Geschenk von meinen Eltern erhalten hatten, und Mathilde hatte ihn wieder einem ihrer Spielleute mitgegeben, damit er nicht in unrechte Hände käme.
Mathilde, einst durch Gottes Gnade Prinzessin von England, Herzogin von Sachsen und Bayern, nun aber eine arme Verbannte, an ihre Freundin Sophia, Kauffrau in Köln, die sich ihrer Heimat noch erfreuen darf.
Ich grüße dich, geliebte Freundin, und hoffe dich bei bester Gesundheit. Mit großer Wehmut habe ich dich abreisen sehen, denn nur Gott weiß, ob ich dich auf dieser Erde noch einmal in meine Arme schließen kann. Es war mir aber ein Trost, dich in der Obhut der Gräfin von Holstein zu wissen - mit dieser kampfesmutigen Dame wird sich niemand anlegen, wohl auch der Kaiser nicht, und ganz sicher kein kleiner Hauptmann, so daß ich mir sicher bin, daß du wohlbehalten in Köln angekommen bist.
Da ich in vielen Jahren immer wieder erleben durfte, welch großen Anteil du an meinem Schicksal und dem meiner Familie genommen hast, möchte ich dir zunächst sagen, daß wir alle noch leben und gesund sind. Freilich sind wir jetzt arm, und die Macht, die mein Löwe sich in jahrzehntelangen größten Mühen erworben hat, ist zerstoben wie Spreu im Winde.
Du hast ja gesehen, wie
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