Die Tuchhaendlerin von Koeln
Kindern nichts wegnehmen können.
Aber die Welt sah nur den großen, großmütigen, verzeihenden Kaiser - und den Löwen im Staub.
Am nächsten Tag verkündete Friedrich dann, daß er in kaiserlicher Großmut seinem sehr geliebten und nun geläuterten Vetter Braunschweig und Lüneburg mit dem dazugehörigen Umland überlasse - er durfte sich künftig Herzog von Braunschweig nennen. Aber weil er es gewagt hat, dem Kaiser Widerstand zu leisten, mußte er in die Verbannung gehen. Nach England, zu meinem Vater. Nicht sofort - er durfte vorher noch die Belange seines großartigen neuen Reiches ordnen und Verwalter einsetzen. Denn ich, obwohl nicht von der Verbannung betroffen, werde mit meinem Mann gehen, wohin auch immer sein Weg sich wendet.
Möge Gott seine Hand über uns halten, wie auch über dich und deine ganze Familie.
Deine Freundin Mathilde.
Ich sehe, du hörst ganz atemlos zu. Ich gebe zu, meine Tochter, daß die Geschicke der Herzogin Mathilde spannender sind als die deiner Mutter, die sich so sehr über ihr neues Haus freute, was in deinen Augen natürlich völlig unbedeutend ist.
Hast du für heute genug? Nein? Dann sollst du auch noch Mathildes nächsten Brief hören, der mich im folgenden Jahr erreichte.
Mathilde, einst durch Gottes Gnade Prinzessin von England und Herzogin von Sachsen und Bayern, nunmehr Herzogin von Braunschweig, aus der Verbannung an ihre Freundin Sophia, Kauffrau in Köln.
Gottes Gruß und Segen, liebste Freundin. Ich bete darum, daß du wohlauf bist und alle deine Lieben ebenso.
Ich möchte dir nun berichten, wie es mit unserem völlig umgestürzten Leben weiterging.
Kurz vor unserer Abreise erschien ein Bote aus Dänemark. Er brachte die Nachricht, daß König Waldemar verstorben und sein Sohn Knut ihm auf den Thron gefolgt war. Er hatte auch einen Brief für Heinrich und mich dabei. Seine Tochter Gertrud, nunmehr dänische Königin, sandte uns ihre liebevollsten Grüße und ließ uns wissen, ihr Gemahl weigere sich, seine Krone von Barbarossa als Lehen entgegenzunehmen. Er habe hingegen die Absicht, die slawischen Lande seinem Reich einzugliedern.
Heinrich lachte bitter, als er dies las. ›Wie habe ich mich jahrzehntelang um diese Gebiete bemüht! So viele Anstrengungen, so viele Kämpfe … Da ist es mir schon lieber, wenn meine eigene Tochter nun den Nutzen davon hat. Spätestens jetzt muß auch mein kluger und vorausschauender Vetter Friedrich merken, daß er seinen eigenen Schutzschild im Osten zerschmettert hat.‹
Im Jahre des Herrn 1182 verließen wir, dem Befehle des Kaisers gehorchend, unser geliebtes Braunschweig, um in die Finsternis der Verbannung zu gehen. Aber so finster war es für mich auch wieder nicht; ich hatte mich damit abgefunden, meine veränderten Lebensumstände in Würde auf mich zu nehmen; und dann freute ich mich auch darauf, nach so vielen Jahren meine Familie wiederzusehen.
Es war mir allerdings ein großer Schmerz, daß wir nur unsere Tochter Richenza sowie Heinrich und Otto mitnehmen durften. Unseren lieben Sohn Lothar hatte der Kaiser ›eingeladen‹. Er traute offenbar meinem Löwen nicht so weit, daß er auf eine Geisel verzichtet hätte. Lothar war damals
erst sieben Jahre alt, und ich habe ihn bis jetzt nicht wiedersehen dürfen.
Unsere Schar war bewußt klein gehalten, denn wir wußten, daß wir als Bittsteller, als Gäste an den Hof meines Vaters kamen, und wollten ihn nicht mit dem Unterhalt unnötig vieler Menschen belasten. Aber als wir loszogen, wälzte sich ein riesiger Zug Reiter über das Land. Zahllose sächsische Ritter ließen es sich nicht nehmen, ihrem ehemaligen Herzog das Geleit bis zur Grenze zu geben.
Das war tröstlich für meinen Löwen. Aber dann führte unser Weg uns an Bardowiek vorbei. Du kennst diesen Ort wohl nicht, er war früher einmal eine wichtige Handelsstadt, verlor aber jede Bedeutung, als Heinrich Lübeck groß machte. Deshalb haßten die Bardowieker meinen Mann; und als wir nun an der Stadt vorbeizogen, standen ihre Bürger in gedrängten Scharen auf den Mauern, riefen ihm bitterböse Worte zu, ließen die Hosen herunter und schmähten uns durch ihre nackten Hintern. Ich sah auf meinen Löwen; er blickte starr geradeaus und tat so, als nähme er die Beleidigungen nicht wahr. Aber ich bemerkte die Zornesröte in seinem Gesicht, und wie eine Ader an seiner Schläfe pochte, noch lange, nachdem wir an der Stadt vorbei waren und die Pöbeleien hinter uns nicht mehr hören konnten.
Im August
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