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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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Treffen auf den Monat März.

    Und so kam es. Ich konnte, wenn auch mühsam hinkend, wieder laufen. Du hättest sehen sollen, Sophia, was für eine Zeremonie der Kaiser daraus machte! Viele Umarmungen und Beteuerungen, liebwerter Onkel hier und da. Nun ja, aber er hielt immerhin sein Wort und belehnte meinen Sohn mit der rheinischen Pfalzgrafschaft. Dafür hielt ich auch die falschen Küsse des Kaisers aus. Was tut man nicht alles für seine Kinder? Zumal er meine Söhne Otto und Wilhelm noch immer als Geiseln festhält.

    Mein Sohn mußte sich, zum Dank für das kaiserliche Entgegenkommen, dazu verpflichten, mit auf dessen Kriegszug zur Eroberung Siziliens zu gehen. Das war nicht allzu gefährlich, denn König Tancred war im Januar gestorben, kurz nach seinem ältesten Sohn und Thronerben Roger. Was meinst du, wie der Kaiser dort Ordnung geschaffen hat! Er zwang die Witwe des Königs, ins Kloster zu gehen. Ihren kleinen Sohn Wilhelm, ein Kind von nicht einmal zehn Jahren, der jetzt die sizilische Krone trug, traf es weit schlimmer. Der Kaiser ließ ihn blenden und entmannen und dann in den Kerker stecken. Nicht einmal die Toten waren sicher vor ihm: Er ließ die verwesten Leichen von Tancred und seinem Sohn Roger aus dem Grab zerren und enthaupten. Du schüttelst den Kopf und willst es nicht glauben, Sophia? Ich weiß es aber aus erster Hand. Mein Sohn Heinrich war nach diesem Italienzug kurz bei mir, ehe seine Pflichten ihn wieder nach Burg Stahleck riefen, so sagte er. Ich denke, es war eher die Sehnsucht nach seiner jungen Frau, die mir die Dauer seiner Gesellschaft verkürzte.

    Und nun bin ich hier, in meinem geliebten Braunschweig, allein. Wenn meine Kräfte es zulassen, besuche ich meine Mathilde; es sind ja nur ein paar Schritte bis zu ihrem Grab. Es sind auch nur noch ein paar Schritte zu meinem eigenen Grab. Das ist schon in Ordnung. Schau, Sophia: Habe ich nicht viel mehr erlebt als die meisten anderen Menschen? Und so vieles hat Gott mir geschenkt: Zwei Herzogtümer, zwei Ehefrauen, von denen ich Mathilde bis zu meinem letzten Atemzug lieben werde, gesunde, prächtige Kinder, die meine Freude und mein Stolz sind.
    Freilich, davon wurde mir auch vieles wieder genommen: Mein Weib, vier meiner Kinder, meine Länder und nun zum Schluß auch die Gesundheit. Aber ich will mich nicht beklagen. Wenn es dir nicht zu mühsam ist, Sophia, einen alten Mann beim Gehen zu stützen, dann könnten wir vielleicht in den Dom gehen und unsere Mathilde besuchen.«
    Wir taten es. Auf Mathildes Ruhestätte war inzwischen ihr Abbild angebracht. Wir sprachen gemeinsam ein Gebet für sie. Ein gleißender Lichtstrahl fiel durch ein Fenster, es tanzten Stäubchen darin. Draußen glühte ein heißer Julitag, aber im Dom war es angenehm kühl.

    Dann ging Heinrich, mühsam hinkend, mit mir zum Steinmetzen, der seine Werkstatt unmittelbar neben dem Dom betrieb. Dort zeigte er mir das Abbild für sein eigenes Grab. Er fand es tröstlich, aber für mich war es sehr traurig. Mich trennten eben mehr als zwanzig Jahre vom Löwen, ich konnte mich mit dem Tod noch keineswegs abfinden so wie er. Freilich, alle seine Töchter waren im Ausland verheiratet, die drei Söhne fern von ihm. Seine Getreuen waren alle tot, bis auf Jordan von Blankenburg, der damals Barbarossas Krone vom Boden aufhob. Selbst Heinrichs alter Onkel Welf war gestorben, auf der Ravensburg, die fast vierhundert Jahre das Heim der Welfen war und nun mit dem gewaltigen
Gut in Süddeutschland und Italien an die Staufer fiel - weil der Löwe damals nicht pünktlich an seinen Onkel gezahlt hat. Aber all das war ihm jetzt nicht mehr wichtig.

    Gegen Abend verdunkelte sich die Sonne, schwere Gewitterwolken zogen in der Ferne auf. Es war schon Nacht und die Bewohner Braunschweigs vom Tagelöhner bis zum Herzog lagen zu Bett; Blitze zischten durch den Himmel und erhellten ihn. Ich wurde wach und trat an das kleine Fenster. Da sah ich einen grellen Blitz in das Dach des Doms einschlagen, und gleich darauf schlugen Flammen aus dem Dachstuhl. Sie wuchsen mit beängstigender Geschwindigkeit - jetzt griffen sie auf die Burg über! Ich schlüpfte rasch in meinen Rock, lief barfuß aus meiner Kemenate, durch den Gang und hinüber zur Schlafkammer des Herzogs. Dort waren schon Diener, so notdürftig bekleidet wie ich, sie schrien durcheinander. Der Herzog lag ganz ruhig im Bett. Er war wach, blickte aber ungerührt durch das Fenster in die fauchenden Flammen. Der aufgeregte Haushofmeister

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