Die Tuchhaendlerin von Koeln
befahl den Dienern, das Bett mitsamt dem Löwen hinauszutragen, um ihn vor dem Inferno zu retten. Der Herzog winkte ab - wozu Rettung? Er ließ auch nicht zu, daß sie ihn aus dem Bett hoben.
»Ihr müßt den Herrn Herzog überreden, Frau Sophia, wenn er nicht bei lebendigem Leib verbrennen soll«, sagte der Haushofmeister verzweifelt.
Ich sah zum Fenster. Die wilden Flammen machten den Raum fast taghell. Ich hatte entsetzliche Angst. Ohne jeden Respekt packte ich den Löwen bei der Schulter und schüttelte ihn.
»Los, Heinrich, steh sofort auf und flieh mit mir!« rief ich. Und, als der Herzog störrisch den Kopf schüttelte: »Wenn du unbedingt wissen willst, wie es in den Flammen ist, solltest du dich schon bis zum Fegfeuer gedulden!«
Und, du wirst es nicht glauben: Da lachte der Herzog! Er lachte, mitten in dem Inferno! Und dann hörte ich, wie es draußen prasselte - aber nicht vom Feuer, sondern den Blitzen folgte nun eine Sturzflut von Regen. Er löschte die Flammen in wenigen Minuten. Die Gefahr war gebannt, und dem Löwen war es nicht gelungen, seinem Leben zu entwischen.
Zwei Tage darauf kehrten Gottschalk und unsere Söhne zurück, und wir machten uns zur Abreise fertig. Bevor wir davonzogen, schenkte der Herzog mir ein sehr schönes, kunstvoll bemaltes Psalterbuch, eine Kostbarkeit, die bis heute mein größter Schatz ist. Du kennst es, du hast mich schon oft darin lesen sehen.
1195
D ie Heimkehr war beschwerlich. Tagsüber war es oft so drückend heiß, daß wir die Fahrt unterbrechen mußten, damit die Zugpferde nicht zusammenbrachen. Gegen Abend gab es dann des öfteren starke Gewitter und Regenfluten. Einmal erwischte uns ein solches Unwetter auf freiem Feld. Wir zurrten die Planen über den Wagen mit der kostbaren Fracht, die mein Mann und seine Söhne in Lübeck erstanden hatten, besonders sorgfältig fest und machten uns ein notdürftiges Zelt unter einer starken alten Eiche. Aber auch ihr dichtes Blattkleid konnte den Wassergüssen nicht standhalten. Der nahe gelegene Bach stieg über die Ufer, es rauschte und gurgelte um uns herum. Weder Fackel noch Lagerfeuer hätte den Regenmassen standgehalten, und so konnten wir nur im Schein der Blitze kurz wahrnehmen, was um uns vorging. An Schlaf war natürlich keinen Augenblick zu denken, und so waren wir alle völlig durchnäßt, durchfroren und mißgelaunt, als der
Tag graute. Da erkannten wir, daß das Bächlein, das gestern so harmlos durch die Wiese geplätschert war, über Nacht zu einem reißenden Fluß angeschwollen war, der uns fast erreichte. Eilig fütterten wir die Tiere, rieben sie, so gut es ging, trocken und setzten schleunigst unsere Reise fort. Für uns gab es nur ein paar kalte Bissen aus dem Mundvorrat. Die Wege waren tief verschlammt, lagen voll abgebrochener Äste, so mußten wir ständig vor den Wagen herlaufen und die schlimmsten Hindernisse beseitigen, ehe sie sich in den Wagenspeichen verfangen konnten. Mehrmals blieb einer der Wagen im Schlamm des Weges stecken, und wir mußten alle mit anpacken, um ihn wieder flottzumachen. Du siehst mich zweifelnd an? Nun ja, mich ließen die Männer nicht den Wagen anschieben, aber statt dessen zog ich das Pferd am Zügel vorwärts, das war auch schwer genug.
Schien die Sonne, dann nahmen wir die Planen ab und achteten sorgfältig darauf, daß die Ware gut von allen Seiten trocknete. Schließlich hatten wir Felle und Honig geladen, beides konnte rasch verschimmeln und verderben. Nur Wachs und Bernstein waren nicht gefährdet.
Auf diese Weise war die Reise natürlich sehr mühsam und anstrengend und dauerte wesentlich länger als sonst. Kein Wunder, daß der schnell reitende Bote aus Braunschweig vor uns die Stadt Köln erreichte. Als wir endlich in Deutz angelangt waren und unsere Wagen auf der Fähre verstauten, begannen auf der anderen Seite des Stroms die Trauerglocken zu läuten. Sie taten unserer Heimatstadt kund, daß Herzog Heinrich der Löwe, ein großer Fürst und bedeutender Mann, in die Ewigkeit eingegangen war.
Von dieser Reise kehrte ich sehr erschöpft zurück. Ich hatte mich in den regennassen Nächten erkältet, meine Nase lief,
mein Kopf schmerzte. Aber ich wußte, Mutter würde mich schon pflegen. Das hatte sie doch immer getan, wenn mir etwas fehlte. Ebenso selbstverständlich war es für mich, daß sie während meiner Abwesenheit für meine Kinder und meinen Haushalt sorgte, natürlich unterstützt von unseren Dienstboten. Und auf unseren Handel hatte sie
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