Die Tuchhaendlerin von Koeln
ich bin eine Königstochter und keine Stallmagd, die ein Mann eben mal schnell auf der Küchenbank nimmt«, sagte sie tadelnd. »Du kannst dir doch
denken, daß ich in Ehren und unberührt in die Ehe gehen werde!« Sie schickte mir einen vorwurfsvollen Blick. »Und wie kannst du nur an der Ehrenhaftigkeit meines Bräutigams zweifeln?«
Jetzt sah sie wirklich zornig aus. Ich war zutiefst beschämt.
»Bitte, verzeiht mir, Hoheit«, sagte ich unglücklich. »Aber ich habe doch darin genau so wenig Erfahrung wie Ihr! Und der Herr Herzog hat Euch so verliebt angeschaut, da wußte ich nicht …«
Da klärte sich Mathildes Miene sofort auf.
»Oh, hat er das?« sagte sie glücklich. »Ja, er ist einfach wundervoll. Ganz so, wie ich es mir erträumt habe. Weißt du, Sophia, bei einer Königstochter wird ja nicht nach Neigung gefragt. Daß meine Eltern für mich gerade diesen Fürsten ausgesucht haben, ist ein ganz großes Glück für mich.«
Sie lächelte spitzbübisch.
»Damit deine Neugier befriedigt ist, Sophia: Der Herzog und ich haben beschlossen, unser Beilager gar nicht hier in Minden zu halten. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten reisen wir gleich nach Braunschweig, auf seine Burg Dankwarderode, und da feiern wir unser Beilager, ganz allein und unbeobachtet - in unserem zukünftigen Heim. Dort werden wir nämlich wohnen und unsere Kinder aufziehen, nicht ständig von einer Burg zur anderen reisen. Darüber haben wir gestern abend gesprochen. Wir werden sehr glücklich sein …«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Diese blutjunge Prinzessin war eigentlich noch fast ein Kind, aber sie sprach wie eine Frau, die weiß, was sie vom Leben will und die einen schnurgeraden Weg vor sich sieht. Ich erinnerte mich daran, wie unsicher und unzufrieden ich vor der Hochzeit mit Gerard gewesen war - die dann gar nicht stattgefunden hatte. Ich muß schon sagen, daß ich Prinzessin Mathilde gleichzeitig beneidete und bewunderte.
Jane klopfte an die Tür. Es gab heute keinen Kräutertee vor dem Aufstehen, wie die Prinzessin es gewohnt war. Sie mußte nüchtern bleiben für die Kommunion. Jane half ihr, rasch ein ganz schlichtes Gewand anzulegen, und dann ging es in die Klosterkirche. Mir warf Jane einen nachdenklichen Blick zu, als sie mich in meinem verdrückten Festkleid vom vorigen Abend sah, aber sie sagte nichts und holte mir meinen Umhang, damit ich Mathilde begleiten konnte. Mathilde beichtete, hörte dann die Messe und empfing die Heilige Kommunion mit tiefer Andacht. Alle ihre Hofdamen waren dabei, und einige weinten schon jetzt. Ich fand, daß sie das gut bis zur Hochzeit hätten aufsparen können. Anschließend wurde Mathilde für die Trauung angekleidet, und Jane konnte sie nur mit viel Mühe überreden, einen Bissen Honigbrot zu sich zu nehmen. Heute war meine Prinzessin nicht mehr aufgeregt und hektisch, sondern fröhlich und erwartungsvoll, aber gelassen. Sie wurde in einer Sänfte zum Schiff getragen, das sie übersetzen sollte, damit das Hochzeitskleid nicht beschmutzt wurde. Drüben wartete eine Kutsche mit vier weißen Pferden sowie eine Schar prächtig herausgeputzter Reiter auf sie. Mathilde bestand darauf, daß ich mit in ihre Kutsche stieg. Das war dem Haushofmeister nicht recht, denn in die Kutsche paßten beim besten Willen nur vier Menschen, und er fand - sicher zu Recht -, daß den Fräulein aus England der Vortritt gebührte. Aber Mathilde zog die Augenbrauen hoch und bestand auf meiner Begleitung. Und so schlüpfte ich mit einer normannischen und einer aquitanischen Grafentochter zu Mathilde in die Kutsche, während alle anderen zu Fuß folgten.
Vom weiteren Verlauf des Festes brauche ich nichts zu berichten. Es war alles sehr schön und eindrucksvoll, aber ich fand, die Worte, die der Herzog gestern abend für seine junge Braut gefunden hatte, waren viel schöner als die Formeln, die
bei einer Hochzeit gebraucht werden. Ich benutzte die Gelegenheit, mich beim Hochzeitsmahl mit einem seiner jungen Ritter über Herrn Heinrich zu unterhalten, und was dieser sagte, gab mir sehr zu denken. Der Herzog wußte offenbar ganz genau, was er wollte, und er war ein Machtmensch. Da ich aber auch eine sehr zarte Seite seines Wesens gesehen hatte, war meine Angst um die Zukunft meiner Prinzessin völlig verschwunden. Es würde ihr sicher gut bei ihm gehen. Ich fragte mich, welchen Mann ich eines Tages finden würde, und sehnte mich danach, auch so verehrungsvoll behandelt zu werden wie die jetzige Herzogin
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