Die Tuchhaendlerin von Koeln
sich ratlos unter seinen Männern um, aber diese wichen alle seinen Augen aus, kratzten sich am Fuß, betrachteten ihre Fingernägel oder schauten tiefsinnig in ihre Teebecher.
Schließlich richtete der Sultan seinen Blick auf Herrn Heinrich und betrachtete lange dessen strahlendes, erwartungsvolles Gesicht. Dann seufzte er ganz leise, holte tief Luft und setzte zu einer längeren Rede an, ohne dem Templer zwischendurch die Gelegenheit zur Übersetzung zu geben. Schließlich nickte er bekräftigend dreimal mit dem Kopf, so heftig, daß die Pfauenfeder auf seinem Turban gewaltig schwankte, trat dann auf den Löwen zu, umarmte und küßte ihn, winkte ihm einen freundlichen Gruß zu und verließ dann fluchtartig das Zelt.
Der Herzog stand verblüfft ob dieses plötzlichen Abgangs.
»Was hat der Sultan denn gesagt?« wollte er wissen.
Herr Jean holte tief Luft. »Der Sultan ist sehr erfreut und gerührt über die Fürsorge seines geliebten Verwandten Heinrich«, sagte er. »Er begreift, was für ein riesiges Geschenk Ihr ihm machen möchtet. Nun ist aber für ihn die Religion etwas zu Wichtiges, als daß er leichtfertig damit umgehen möchte. Er muß sich damit zuerst sehr ausgiebig beschäftigen, und leider seid Ihr ja zur Abreise entschlossen. Der Sultan meint, einer von uns Templern könne bei ihm bleiben und ihn mit der christlichen Religion vertraut machen, während Ihr in Eure Heimat zurückkehrt.«
Heinrich war enttäuscht. Ihm hatte eine feierliche Taufe vorgeschwebt, bei der er die Patenschaft für Kilidsch Arslan
von Herzen gern übernommen hätte. Aber seine Abreise konnte er nicht auf unabsehbare Zeit verschieben.
»Zum Zeichen seines guten Willens und seiner unauslöschlichen Freundschaft zu Euch will er Euch die christlichen Gefangenen, die in seinem Land leben, zum Geschenk machen. Ihr könnt sie mit nach Europa nehmen. Darum mußte der Sultan Euch auch so schnell verlassen, denn diese Christen sollen in aller Eile zusammengeholt werden.«
Das munterte den Herzog sofort wieder auf. Andächtig sagte er: »Wenn der Sultan, der offenbar ein sehr gewissenhafter Mann ist, sich auch nicht sofort taufen lassen kann, so habe ich doch den Eindruck, daß schon jetzt der Heilige Geist ihn beeinflußt. Ich bin sehr glücklich, daß er sich zu dieser äußerst edlen Geste entschlossen hat. Welche Freude wird dies bei den Freigelassenen auslösen, und wie selig werden ihre Angehörigen in der Heimat über ihre Rückkehr sein! Schon allein dafür hat meine Pilgerfahrt sich gelohnt.«
Und in höchster Zufriedenheit kehrte er in sein Zelt zurück.
Es war noch früh am Morgen. Ich hörte Gunther nebenan in der Kammer weinen, offenbar hatte er schlecht geträumt. Dann vernahm ich, wie Megintrud ihm etwas vorsummte, und er wurde rasch wieder still.
Dafür regte sich jetzt der kleine Gerhard. Ich hatte ihn in der Nacht nach dem letzten Stillen nicht wieder in die Wiege gelegt, sondern in meinem Arm behalten. Jetzt öffnete er die Augen und blickte sich um. Als sein Blick auf mein Gesicht fiel, breitete sich langsam ein erfreutes Grinsen über sein pfiffiges kleines Gesicht, und er sagte ein paar Worte in seiner Säuglingssprache. Dann stieß sein Köpfchen auf mich zu, er bediente sich an meiner Brust und drückte mit seinen
kleinen Händchen noch nach, damit die Quelle üppiger floß. Mein Herz wurde ganz leicht und froh dabei.
Da hörte ich jemand unten an die Haustür klopfen. Um diese Zeit? »Megintrud, ich stille gerade das Kind. Könntest du bitte …« Da hörte ich sie schon die Treppe hinunterschlurfen. Einen Augenblick später sprang jemand mit großen Sätzen die Stiege herauf, hielt vor meiner Kammertür inne und öffnete dann ganz langsam. Ich sah einen dunklen Lockenschopf, und mein Herz begann wie rasend zu schlagen. »Nicht erschrecken, mein Lieb!« sagte Gottschalk, und schon war er eingetreten und neben dem Bett. Gerhard drehte das Köpfchen, maunzte kurz, um gegen die Störung zu protestieren, und trank dann eifrig weiter. Aber nach ein paar Zügen überwog wohl die Neugierde, und er schaute mit großen Augen zu dem fremden Mann hoch, dem Vater, den er noch nie gesehen hatte. Sachte strich Gottschalk mit dem Zeigefinger über das kleine Fäustchen und kitzelte das Kind unter dem Kinn. Bevor Gerhard sich zu dieser Annäherung äußern konnte, kamen Richolf und Gunther hereingestürmt und stürzten sich mit Freudengeschrei auf ihren Vater. Er warf sie nacheinander in die Luft und herzte sie, bis
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