Die Tuchhaendlerin von Koeln
Ein Bote hatte ihre Ankunft angekündigt, und Sultan Kilidsch Arslan zog Heinrich entgegen. Majestätisch thronte er auf einem schneeweißen Kamel; eine riesige Pfauenfeder schmückte seinen Turban, und sein Schnauzbart war einfach überwältigend. Als Heinrich aus Höflichkeit von seinem Pferd glitt und dem Sultan zu Fuß entgegenging, verließ dieser eilig die Kamelstute, eilte seinem Gast mit ausgebreiteten Armen entgegen, drückte ihn innig an sein Herz und küßte ihn voller Freude viele Male ab. Gottschalk mußte sich das Lachen verbeißen, als er das völlig verblüffte Gesicht des Herzogs sah. Aber Heinrich faßte sich sofort und umarmte seinerseits den Sultan auf das herzlichste. Kilidsch Arslan sprudelte eine Begrüßungsrede hervor, während der er immer wieder die Hand oder den Arm seines Gastes faßte und freundlich drückte. Ein kleiner gebückter Mann stand hinter ihm, der seine Worte übersetzte, aber da Heinrich auch diesen nicht verstand, flüsterte ihm einer der Tempelherren ins Ohr, was der Sultan ihm zu sagen wünschte: Kilidsch Arslan war außer sich vor Freude, seinen lieben Verwandten Heinrich endlich kennenzulernen und als Gast für eine lange Dauer begrüßen zu dürfen. Heinrich blickte den Templer ratlos an, aber dieser grinste über das ganze Gesicht. »Der Sultan hat,
wenn ich richtig verstanden habe, eine christliche Großmutter oder Urgroßmutter oder dergleichen und nimmt an, diese müsse dann ja wohl eine Verwandtschaft mit dem geehrten Herzog Heinrich begründen«, meinte er freudig.
Zwar wußte Heinrich genau, daß keine seiner weiblichen Verwandten jemals als christliche Sklavin in seldschukische Hände gefallen war; aber er nahm die herzliche Freundschaft, die Kilidsch Arslan ihm bot, dankbar entgegen und verbrachte eine herrliche Zeit bei ihm, ging mit ihm auf die Jagd, bei der statt Hunden gezähmte Leoparden den Jägern die Beute zutrieben, und saß des Abends mit dem Sultan beim Schachspiel. Welche Freuden der Seldschuke Heinrich sonst noch geboten haben mag, ob er ihm etwa schöne Mädchen ins Zelt schickte, darüber hat Gottschalk nie ein Wort verloren. Obwohl ich ja sonst immer sehr neugierig war - zu diesem Punkt habe ich nie auch nur die kleinste Frage gestellt. Mein Mann war ein Jahr lang von mir getrennt, und es hätte ja sein können, daß er günstige Gelegenheiten genutzt hatte - während ich tugendhaft zu Hause saß und seine drei Söhne versorgte. Aber es war sicher besser für meinen Seelenfrieden, darüber gar nichts zu wissen.
Wäre es nicht Gottschalk selbst gewesen, von dem dieser eingehende Reisebericht stammte - ich weiß nicht, ob ich die Geschichte geglaubt hätte. Genau in dem Land, wo Heinrich so glanzvoll und freundschaftlich aufgenommen wurde, war der letzte Kreuzzug jämmerlich niedergeschlagen worden. Tausende von Rittern hatten ihr Leben verloren, König Konrad war als gebrochener Mann mit Mühe und Not zurückgekehrt - und das hatte gerade erst ein paar Jahre vor meiner Geburt stattgefunden. Kilidsch Arslan, der gern Heinrichs Verwandter sein wollte, war damals schon ein sehr junger Krieger gewesen. Sicher hatte auch sein Stamm, seine Familie Todesopfer in diesem unseligen Krieg zu beklagen
- und für sie waren die Kreuzfahrer die Angreifer, die ihr Land ohne triftigen Grund überfallen hatten. Was bewog den Sultan, sich so edelmütig und großherzig zu erweisen? Denn ich weiß keinen Fürsten, der ihn darin übertroffen hätte. Er beschenkte den Herzog, als dieser sich endlich zur Abreise losriß, mit herrlichen Gewändern. Vor allem aber ließ er eintausendachthundert Pferde zusammentreiben, und jeder Gast, auch mein Gottschalk, konnte sich nach Belieben eins davon auswählen. Schließlich hatten sie noch einen weiten Weg durch unwegsames Gebiet vor sich, Wälder, Steppen und Wüsten. Seinem Freund und Verwandten Heinrich wählte der Sultan eigenhändig mehrere ganz besonders edle Tiere aus, erstklassig gezäumt und gesattelt. Dazu schenkte er ihm noch zwei seiner zahmen Jagdleoparden, die auf Pferden sitzen konnten. Die Pferde, die bereits daran gewöhnt waren, gab es als Zugabe - ein normales Pferd wäre sofort in Panik ausgebrochen, wenn es ein großes Raubtier auf seinem Rücken verspürt hätte. Ein äußerst großzügiges, aber auch reichlich unbequemes Geschenk. Zum Glück für die Leoparden wie auch für die Begleiter Heinrichs, die sich nicht mit Leoparden auskannten, marschierten einige Sklaven mit, welche mit diesen Tieren
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