Die Tuchhaendlerin von Koeln
Besitz. Ich mußte mit ansehen, wie sie anfingen, die Ladung zu durchstöbern und unsere Warenkisten aufzubrechen; aber ihr Anführer setzte dem schnell ein Ende, indem er zweien seiner Männer eins mit dem Messer überzog.
Mit dem letzten Tageslicht erreichten wir eine wildzerklüftete Küste und schlängelten uns durch mehrere Wasserarme, bis die Piraten an einem sehr versteckten Platz Anker schlugen. Es kamen Frauen und Kinder mit Freudenrufen zum Strand gelaufen und halfen den Männern, die Beute an Land zu schleppen.
Die Seeräuber überzeugten sich noch einmal, daß unsere Stricke fest gebunden waren, und gingen dann an Land, um ein Freudenfest zu feiern. Wir konnten zwar nicht über Bord schauen, aber das Gegröle zeugte von einem großen Besäufnis. Wir armen Gefangenen bekamen nichts, nicht einmal Wasser. Erst spät am nächsten Tag, nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten, kamen sie an Bord, um nach uns zu sehen. Sie nahmen uns die Fesseln ab und bedeuteten uns, an Land zu gehen. Nachdem wir uns so viele Stunden lang nicht hatten rühren können, waren wir alle ganz steif und hatten taube Glieder. Mein erster Gehilfe, schon ein älterer Mann, machte darum einen Fehltritt, als er über Bord in das Boot springen sollte, fiel ins Wasser und zappelte und kreischte vor Angst, weil er nicht schwimmen konnte. Die
Räuber wollten sich darüber fast totlachen. Erst als ihnen einfiel, daß der Mann ja einen Handelswert darstellte, entschlossen sie sich, ihn aus dem Wasser zu ziehen.
Als wir am Ufer landeten, banden sie uns die Hände auf dem Rücken zusammen und jeweils zwei Männer an den Knien aneinander. Die Kinder, die am Strand spielten, lachten sehr darüber, wie wir ungeschickt dahinhumpelten, und ich dachte, daß dies eine sehr lustige Insel war, nur ganz sicher nicht für uns.
Wir kamen dann in das Räuberdorf. Es war vom Meer aus nicht zu sehen gewesen, weil es hinter einem großen Fels versteckt lag. Ein Dutzend Hütten umgaben ein Haus, das ich in dieser Pracht wahrhaftig nicht in einer solchen Einöde vermutet hätte: zwei Stockwerke hoch, mit Säulen umringt und einem großen, teilweise überdachten Vorplatz. Den erhöhten Sitz mit Baldachin in der Mitte des Platzes konnte man ohne Übertreibung als Thron bezeichnen. Der Mann auf diesem Thron paßte zu diesem Aufwand: Er war trotz der Hitze in einen großen Brokatumhang gehüllt, der mit Perlen und Juwelen bestickt war. Als Kaufmann erkannte ich sofort, daß dies aus der Kleidung eines hohen Fürsten stammte, vermutlich eines Kirchenfürsten, wenn es nicht sogar eine Altardecke war. Der Mann darin war groß, massig, schwarzhaarig, mit langem graugesträhntem Bart, den er eitel in zwei Hälften geteilt und mit zwei Schleifen verziert hatte.
Vor ihm waren die Kisten und Ballen aus unseren beiden Schiffen aufgetürmt. Einige Frauen packten aus und präsentierten dem Häuptling den Inhalt. Die erstklassigen Schwerter, Lanzen, Helme und Schilder glitzerten in der Sonne. Hätte ich doch beizeiten alles ins Meer geworfen! Nun kamen die Waffen den Piraten zugute statt den Rittern im Heiligen Land. Und die kostbaren Tuche, mit denen ich dieses Jahr mein großes Geschäft hatte machen wollen, würden
nun diesen Banditen zieren. Wir Gefangenen standen lange in der Hitze, denn der Platz im Schatten des Daches war natürlich zu gut für uns. Wir waren schwach vor Hunger und vor allem ausgedörrt. Ich sah, wie Apollonius immer blasser wurde, dann fiel er in Ohnmacht und brach zusammen. Da er an mich gefesselt war, stürzte auch ich und fiel dabei gegen meinen Nebenmann, so daß auch dieser und der an ihn Gefesselte zu Boden fielen. Das erheiterte die Seeräuber wieder ungemein, sie brüllten und johlten vor Lachen. Wir lagen hilflos in der Hitze und konnten nicht wieder aufstehen. Ich hatte nur Augen für meinen Sohn, aber zum Glück kam Apollonius wieder zu sich.
Auf einen Wink des Häuptlings zerrten seine Männer uns wieder auf die Füße. Der Häuptling betrachtete uns kurz und fragte dann auf griechisch, aber mit einem schauderhaften Akzent, wer der Anführer der Gefangenen sei. Ich sah mich um. Der Führer des zweiten Schiffes hatte den Kampf offenbar nicht überlebt.
»Ich bin der Anführer«, sagte ich darum.
Gemächlich erhob sich der Häuptling, trat auf mich zu und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Apollonius stöhnte.
»Du warst der Anführer. Merke dir das. Du bist jetzt nur noch ein Gefangener«, erklärte der Häuptling. »Hier gibt
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