Die Tuchhaendlerin von Koeln
plötzlich in der Sprache meiner Kölner Heimat gesprochen, und ging kopfschüttelnd davon, ohne mich einer Antwort zu würdigen.
So war ich also des Tages gut beschäftigt; aber nachts sprach ich zu meinem Sohn von unserer byzantinischen Heimat, von seiner Mutter, die mir an jedem einzelnen Tag schmerzlich fehlte, von seinen Geschwistern, die ohne meine liebevolle Fürsorge aufwachsen mußten. Ich erzählte ihm auch von meiner fernen ersten Heimat in Köln, meinem geliebten Vater Eckebrecht, meinen Brüdern und der ganzen Familie. Wir hatten viel Zeit dazu, denn die Wüstennächte sind lang.
Schließlich tat die Sehnsucht so weh, daß ich zu unserem Herrn ging. Er saß vor seinem großen Zelt, trank einen Becher Milch von einer Kamelstute und blickte geruhsam in die untergehende Sonne.
Ich fragte ihn, ob er bereit sei, uns gegen ein angemessenes Lösegeld zu entlassen. Meine Frau in Byzanz werde sicher gern alles Geld für unsere Freilassung zahlen, das sie aufbringen könne.
Ashot trank gemächlich seine Milch aus.
»Unser Volk liegt seit vielen Generationen im Krieg mit Byzanz«, erklärte er dann. »Ich könnte dorthin keinen Boten senden.«
Ich versuchte einen zweiten Vorstoß.
»Auch mein Vater würde sicher gern ein Lösegeld für Sohn und Enkel aufbringen«, bat ich.
»Wo lebt dein Vater?«
Ich versuchte, ihm zu erklären, wo Köln lag. Da lachte er, kratzte sich unter seinem Kopftuch und spottete: »Glaubst
du, meine Krieger reisen durch die halbe Welt, um ein Lösegeld zu nehmen?«
Nein, das meinte ich nicht. Aber in der nächsten großen Hafenstadt könne man doch wohl Kaufleute als Mittelsmann finden?
Ashot blickte mich unmutig an.
»Ich habe dich und deinen Sohn gekauft. Ihr seid mein Eigentum. Ob ich euch verkaufen will, ist allein meine Entscheidung. Und ich will euch behalten. Du kannst gehen.«
Und so ging wieder viel Zeit ins Land. Ich verrichtete meine Arbeit, so gut ich konnte. Es wuchsen auch neue Söhne nach und damit neue Schüler für mich. Aber die Sehnsucht nach meiner Frau, nach meinen Kindern und auch die Sehnsucht nach Freiheit wurden immer stärker, und so beschloß ich, mit meinem Sohn die Flucht zu ergreifen.
Lange grübelte ich darüber nach, wie wir es anstellen könnten. Seit wir hier angekommen waren, hatten wir den weiteren Umkreis des Zeltlagers niemals verlassen, auch wenn das Lager selbst natürlich durch die Wüste gewandert war. Wir hatten keine Reittiere, keinen Proviant, kein Wasser, und vor allem keine Ahnung, wo wir uns befanden; nur eine schwache Vorstellung von der Richtung, in die wir uns wenden mußten. Da bot sich uns eine unverhoffte, einmalige Gelegenheit.
Nach unserer täglichen Arbeit pflegte mein Sohn allein in der Gegend herumzustreifen, um seinen jungen Beinen Bewegung zu verschaffen. Oft kam er erst zurück, wenn sich schon die Nacht über die Wüste gesenkt hatte. Eines Abends kam er, nachdem ich mich schon schlafen gelegt hatte. Leise schlüpfte er in das kleine Zelt, das wir gemeinsam bewohnten, und fragte: »Vater, schläfst du schon?«
»Jetzt nicht mehr«, antwortete ich.
»Ich muß dir etwas sehr Wichtiges erzählen. Ich fand heute eine wilde Kamelstute in der Schlucht im Westen, kaum eine halbe Stunde von unserem Lager. Sie ist am Bein verletzt und kann nicht laufen. Wenn ich die Spuren richtig gedeutet habe, ist ihr Junges von einem Löwen angefallen und gerissen worden. Sie hat bei der erfolglosen Verteidigung einen bösen Prankenhieb erhalten. Wir haben ja unsere Lager gerade erst hier aufgeschlagen und werden sicher einige Monate hierbleiben, wenn ich sie also heimlich gesund pflege und soweit zahm bekomme, daß wir auf ihr reiten können ….«
Eine sehr geringe Chance; aber immerhin die einzige, die sich uns je geboten hat. Apollonius verbrachte also soviel Zeit, wie er unauffällig erübrigen konnte, bei der Kamelstute, schleppte ihr Wasser und Futter hin und erhielt sie am Leben. Ihr Bein heilte. Er gewöhnte sie langsam daran, daß er auf ihren Rücken stieg und sie ritt, erst nur ein paar Schritte, dann immer mehr.
Er legte auch heimlich einen kleinen Vorrat an Lebensmitteln an, steinhart getrocknetes, aber haltbares Fleisch, ebenso steinharte Brotfladen und zwei Wasserschläuche, die er in einer kleinen Felshöhle unter Steinen versteckte. In der Schlucht war eine kleine Quelle, die manchmal trocken war, an anderen Tagen aber leise rieselte. Nun warteten wir noch auf eine günstige Gelegenheit, und sie mußte bald
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